30 Mai 2011

Mitschrift Pressekonferenz: Regierung zur Energiewende

Pressekonferenz zum Energiekonzept der Bundesregierung mit Bundeskanzlerin Merkel, BM Rösler, BM Röttgen und BM Ramsauer
Pressemitteilung Bundesregierung.de

Sprecher: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesminister Philipp Rösler, Bundesminister Norbert Röttgen, Bundesminister Peter Ramsauer

BK'IN DR. MERKEL: Meine Damen und Herren, Deutschland ist eines der leistungsfähigsten und wirtschaftlich erfolgreichsten Länder der Welt. Die Voraussetzung dafür, dass das für unsere Unternehmen auch so bleibt, ist, dass wir eine wettbewerbsfähige Energieversorgung haben. Unsere Bürger vertrauen darauf, dass Strom zu jedem Zeitpunkt ausreichend verfügbar ist, unsere Energieversorgung soll klimaverträglich und umweltverträglich sein, und unser Anspruch lautet: Wir wollen unseren verbrauchten Strom selbstständig erzeugen. Das heißt, nicht von Stromimporten abhängig zu sein.

Die gesellschaftliche Grundentscheidung, in Zukunft ‑ bis 2050 ‑ die Energieversorgung aus erneuerbaren Energien zu gestalten, ist bereits seit Längerem gefallen. Wir haben im Herbst 2010 auch einen Bauplan dazu erarbeitet, der sich genau diesem Ziel verschrieben hat. Aber wir haben nach der ‑ jedenfalls für mich ‑ unvorstellbaren Havarie in Fukushima die Rolle der Kernenergie noch einmal überdenken müssen und uns deshalb entschlossen, den im Herbst beschlossenen Weg noch schneller zu gehen und zu gestalten.

Wir wollen, dass der Strom der Zukunft sicher sein soll, zugleich verlässlich und natürlich wirtschaftlich. Für diesen Strom der Zukunft brauchen wir eine neue Architektur unseres Energiewesens. Wir haben, um uns darauf vorzubereiten, als Bundesregierung eine Ethikkommission berufen, und die Ergebnisse der Arbeit dieser Ethikkommission sind so etwas wie die Richtschnur für das, was wir regierungsseitig beschlossen haben. Wir werden schrittweise bis Ende 2022 vollständig auf die Kernenergie verzichten.

Dieser Weg ist für Deutschland eine große Herausforderung, aber er bedeutet vor allen Dingen auch riesige Chancen für künftige Generationen. Wir glauben, dass wir als Land Vorreiter auf dem Weg zur Schaffung eines Zeitalters der erneuerbaren Energien werden können. Wir können als erste große Industrienation eine solche Wende zu hocheffizienten und erneuerbaren Energien schaffen - mit all den Chancen, die darin für Exporte, für Entwicklungen, für Technologie und für Arbeitsplätze liegen.

Der Weg des Umstiegs war bislang nicht beschrieben. Es hat immer Ausstiegsdaten gegeben, aber der Weg, auf dem man umsteigt und wie man einsteigt, war nicht ausreichend beschrieben. Das erfordert eine Vielzahl von neuen Entscheidungen. Nur mithilfe dieser Entscheidungen werden wir es schaffen, eine solche Architektur der Energieversorgung auch zu entwickeln. Das ist das Neue an den jetzt gefassten Beschlüssen, die sich an den Prinzipien der Versorgungssicherheit, der Bezahlbarkeit sowie der Umwelt- und Klimafreundlichkeit ausrichten. Dafür werden wir eine Vielzahl von Gesetzgebungsvorhaben einbringen. Die werden wir nächste Woche im Kabinett verabschieden. Die zuständigen Minister werden dazu Stellung nehmen. Wir werden dann sehr präzise sagen und verfolgen können, wie wir die gesteckten Ziele auch wirklich erreichen. Wir wollen nämlich nicht nur bis 2022 auf die Kernenergie verzichten und die sieben ältesten Kernkraftwerke sowie das Kernkraftwerk Krümmel nicht wieder ans Netz gehen lassen, sondern wir wollen auch eine 40-prozentige Reduktion unserer CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 erreichen und den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung verdoppeln, von heute 17 Prozent auf 35 Prozent.

Das ganze Projekt wird nur gelingen, wenn wir es beständig überwachen und dafür einen sehr transparenten Monitoring-Prozess gestalten. Die Ethikkommission gibt uns hierzu im Übrigen eine Vielzahl von Empfehlungen, die wir auch noch einmal prüfen sollten. Wir werden das jährlich machen. Die zuständigen Minister werden darüber berichten, und dann wird das auch breit im Parlament diskutiert werden. Die Ethikkommission schlägt uns hierbei sogar eine Projektsteuerung vor, mit der wir das Ganze wirklich voranbringen. Es muss jedenfalls alles dafür getan werden, dass die ehrgeizigen Zeitpläne eingehalten werden.

Wir denken, dass wir mit diesen Beschlüssen eine Chance haben, die Wende zu einem wirklichen Strom der Zukunft zu schaffen, und wir sind als Bundesregierung und als Koalition gewillt, diesen Weg auch gemeinsam und entschlossen zu gehen.

BM DR. RÖSLER: Meine sehr verehrten Damen und Herren, man soll so große Begriffe ja nicht zu oft benutzen, aber ich glaube, heute ist ein guter Tag für die deutsche Energiepolitik. Man könnte fast schon sagen, es ist auch ein historischer. Das Enddatum – 2022 ‑ wurde schon genannt, und der Weg dahin ist für uns entscheidend. "Stimme der Vernunft" heißt aus meiner Sicht, dass man in der Tat die drei Ziele, die es in der Energieversorgung gibt, miteinander in Einklang bringen muss: erstens die Umweltverträglichkeit und den Klimaschutz, zweitens die Versorgungssicherheit und drittens eben auch die Bezahlbarkeit von Energie. Ich glaube, das ist mit den Beschlüssen der Bundesregierung jetzt gelungen.

Als Ausstiegsdatum wurde von der Ethikkommission ja "innerhalb des nächsten Jahrzehnts" empfohlen. Wenn man jetzt davon ausgeht, dass dieses Jahr fast schon wieder vorbei ist, dann liegt 2022 ja innerhalb der Vorschläge der Ethikkommission. Aber viel entscheidender ist der Weg dorthin und wie er dort beschrieben wird. Ich glaube, wichtig ist ein strenges Monitoring: Werden all die Ziele, die man sich vorgenommen hat, auch immer wieder erreicht? Schafft man es, entsprechende Investitionen im Bereich des Kraftwerkneubaus zu leisten? Wie schnell sind wir beim Netzausbau? – All das wird eine Rolle spielen, wird jährlich überprüft werden, wird jährlich berichtet werden und dann auch im Deutschen Bundestag zu diskutieren sein.

Als Wirtschaftminister sind mir drei Bereiche besonders wichtig, zum einen das Netzausbaubeschleunigungsgesetz. Hierbei geht es darum, die notwendige Infrastruktur für den Ausstieg aus der Kernenergie zu schaffen. Hierbei geht es eben darum, gerade große Trassen, die mehrere Bundesländer überschreiten, schneller als bisher zu planen und zu bauen und insgesamt auch im Rahmen einer Bundesfachplanung dazu zu kommen ‑ ähnlich wie beim Bundesverkehrswegeplan ‑, ein Netz zu haben, das gemeinsam mit den Ländern auf Bundesebene diskutiert und auch vorbereitet wird, damit wir bei dem notwendigen Netzausbau selbst eben möglichst schnell sein können.

Neu hinzugekommen ‑ auch nach den gestrigen Diskussionen ‑ ist ein sogenanntes Planungsbeschleunigungsgesetz, denn wir brauchen Ersatzkapazitäten im Bereich erneuerbarer Energien. Wir brauchen aber auch Ersatzkapazitäten im Bereich großer Kraftwerke und im Bereich fossiler Brennstoffe. Hier ist das Ziel, eben zu deutlich kürzeren Bau- und Planungszeiten zu kommen. Dafür ist dieses Planungsbeschleunigungsgesetz gedacht. Man kann sich das so ähnlich wie die großen Beschleunigungsgesetze im Rahmen der Projekte zur deutschen Wiedervereinigung vorstellen. Dabei ist es ja auch gelungen, große Infrastrukturmaßnahmen sehr schnell zu planen und zu bauen, beispielsweise auch Kraftwerke im konventionellen Bereich an alten Kernkraftwerkstandorten neu zu planen und vor allem auch genehmigen zu lassen.

Das Dritte ist, zu einer Entlastung der mittelständischen Wirtschaft, aber auch der Industrie zu kommen, und zwar durch Strompreiskompensationen. Darüber wird es auf europäischer Ebene noch Gespräche geben müssen. Gleichzeitig ist es zu einer Umstellung im Bereich der erneuerbaren Energien gekommen, sodass noch besser auf die Belange und Bedürfnisse der kleineren Unternehmen eingegangen werden kann. Die Grenze des Verbrauchs lag, glaube ich, bei bisher 10 Gigawattstunden und geht jetzt auf 5 Gigawattstunden herunter. Das heißt, die Entlastung kann früher greifen. Sie verläuft nicht mehr in Stufen, sondern linear, und das ist ein guter Beitrag gerade auch für das kleine Gewerbe, den Mittelstand und das Handwerk. Gleichzeitig gibt es eben die großen Strompreiskompensationen für die Industrie.

Damit wird, glaube ich, deutlich gezeigt: Wir haben das Ziel der Versorgungssicherheit und der Preisgünstigkeit für die deutsche Wirtschaft im Blick. Wir freuen uns sehr, dass es auch gelungen ist, für die Netzstabilität ‑ die befand sich in den letzten Tagen in der Diskussion ‑ eine Lösung zu finden, nämlich entsprechende Reservekraftwerke. Man kann also sehr zufrieden sein. Das geht bis hin zu der Frage der Brennstoffelementesteuer, hinsichtlich der auch klar wird, dass es auf der einen Seite nicht womöglich zu Steigerungen bei den Verbrauchern kommt und gleichzeitig die Industrie entlastet wird. Das ist, glaube ich, ein guter Kompromiss und ein gutes Ergebnis für die Energiepolitik, aber auch für die Wirtschaft und die Industrie in Deutschland.

BM DR. RÖTTGEN: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, dass wir alle der Auffassung sind, dass die Energiepolitik nicht nur eine Fachfrage ist. Sie ist weit mehr als eine Fachfrage in unserem Land. Sie hat eine erhebliche gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Bedeutung. Sie ist entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft, und sie ist auch eine der Grundfragen in Bezug darauf, wie wir uns in der Zukunft Wachstum in unserem Land vorstellen.

Darum ist es, glaube ich, schon eine beachtliche Leistung der Koalition, dass wir ein klares, konsistentes Konzept erarbeitet haben, mit dem wir auch einen übergreifenden Konsens in unserem Land erstreben. Was macht die Klarheit und die Konsistenz aus, die wichtig sind für die Umsetzung, aber auch für die Glaubwürdigkeit?

Wir haben entschieden, dass die sieben älteren Kernkraftwerke plus Krümmel nicht mehr ans Netz gehen, also vom Netz bleiben. Das ist eine klare Entscheidung. Weiterhin haben wir für die anderen, bestehen bleibenden Kernkraftwerke klare späteste Endzeitpunkte festgelegt. Für die drei neuesten Kernkraftwerke ‑ das sind Neckarwestheim II, Isar II und Lingen im Emsland – spätestens das Jahr 2022, die sechs verbleibenden gehen spätestens 2021 vom Netz. Die Daten, zu denen diese Kernkraftwerke vom Netz gehen, sind nicht konditioniert, stehen nicht unter dem Vorbehalt einer Revisionsklausel, sondern es besteht Klarheit für alle, insbesondere für Investoren, die nun wissen, woran sie sind.

Es wird einen jährlichen Fortschrittsbericht in den einzelnen Bereichen geben. Wir entlasten uns nicht sozusagen im Heute, indem wir Ziele, die in zehn Jahren zu erreichen sind, vorgeben, sondern die Politik setzt sich unter Selbstkontrolle und wird jährlich darüber berichten, ob wir im Plan sind. Wenn wir nicht im Plan sind, gilt es nachzusteuern. Aber diese Plankontrolle, diese Zielerreichungskontrolle und die Fortschrittsberichte stellen nicht das Ziel infrage, sondern sie bedeuten gegebenenfalls, dass wir in den Maßnahmen nachsteuern müssen.

Die Kernbrennstoffsteuer bleibt erhalten, weil die Aufgaben, unter anderem die Sanierung der Asse, die möglicherweise einen Milliardenbetrag erfordern wird, auch ebenfalls erhalten bleiben.

Wir reichen auch die Hand, im Energiekonsens ebenfalls einen Schritt zu einem Endlagerkonsens in Deutschland zu machen ‑ das ist als ein Teil der Kernenergiefrage eines der Kampfthemen seit Jahren und Jahrzehnten in unserem Land ‑, indem wir vorschlagen, neben der ergebnisoffenen Erkundung von Gorleben ‑ das ist klar ‑ auch die unterschiedlichen geologischen Formationen und alternative Entsorgungsoptionen offen zu diskutieren und dazu auch ein offenes Verfahren zu initiieren, an dem wir möglichst viele beteiligen wollen.

Dies ist eine klare und ambitionierte Entscheidung für den Ausbau der erneuerbaren Energien in unserem Land und bedeutet gut eine Verdoppelung auf 35 Prozent in neun Jahren, nämlich bis 2020. Wir erstreben den Charakterwandel des Erneuerbare-Energien-Gesetzes von einem Subventionsgesetz, das blind ist für die Frage, ob der aus erneuerbaren Energien produzierte Strom auf eine Nachfrage trifft, hin zu einer Markt- und Nachfrageorientierung. Das ist, wenn sie zur Grundversorgung mit Strom zählen sollen, schon bei 35 Prozent notwendig, aber erst recht bei 80 Prozent, die wir erstreben. Darum nutzen und realisieren wir durch technologische Entwicklung, durch Marktpreisentwicklung konsequent die Kosteneffizienz, die im System steckt. Nicht die Höhe von Subventionen ist der Gradmesser des Erfolgs, sondern eigentlich ist es das Maß, in dem sich Subventionen überflüssig machen, weil die Technologien nach und nach im Markt wettbewerbsfähig werden.

Wir werden die Begünstigung für stromintensive Unternehmen deutlich ausweiten und auch im System verändern. Bislang gibt es eine Förderung in einem Zwei-Stufen-System, zwei Treppenstufen der Förderung. Unternehmen mit einem Verbrauch bis 10 Gigawattstunden im Jahr ‑ das ist ziemlich viel ‑ bekommen bislang überhaupt keine Förderung, und dann wird zweimal abgestuft, bis 0,05 Cent. Das ist eine extreme Förderung. Das verändern wir, indem wir ein lineares System, also eine gleitende Förderung nach dem Prinzip einführen: Je mehr Strom, beginnend bei einer Gigawattstunde, verbraucht wird, desto höher ist die Förderung.

Das heißt: Wir leisten auch mit der Novelle des EEG einen wirklich ausdrücklichen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit gerade der stromintensiven Industrie, und das ist auch genau unser Verständnis der Energiepolitik, die wir machen. Der Ausbau der Infrastruktur gehört ebenso dazu wie die Sicherstellung der Finanzierung wichtiger Maßnahmen der Energie- und Klimapolitik in dem sondergesetzlich begründeten Energie- und Klimafonds, in dem ja nunmehr die 300 Millionen Euro aus dem Ertrag der Brennstoffsteuer fehlen, welcher aber dadurch ersetzt wird, dass die gesamten Einnahmen aus dem CO2-Zertifikatehandel ‑ das sind noch einmal (900 Millionen) Euro mehr als vorher vorgesehen waren ‑ in diesen Fonds überführt werden. Dieser Fonds hat den Vorteil, dass er eine festgelegte Zahl von Zwecken hat, für die das Geld ausgegeben wird, und er unterliegt nicht der Annuität, der Jährlichkeit, des üblichen Haushalts. Das heißt, es ist möglich, dass wir Berechenbarkeit und Verlässlichkeit in den finanziellen Zusagen erreichen.

Alle diese Fragen drücken aus, dass nach unserem Verständnis die Befriedung in der Frage der Kernenergienutzung dazu führt, dass Deutschland die Kräfte bündelt, um ein neues Wachstumsprojekt zu realisieren, ein Gemeinschaftswerk, wie es die Ethikkommission zutreffend genannt hat. Dafür braucht man die Kommunen, die Länder, den Bund; die gesellschaftlichen Gruppierungen müssen europäisch integriert sein, aber es ist ein großes nationales Projekt, für das mit diesem Konzept die Grundlage gelegt ist. Wir wollen diesen Konsens, weil er ein Teil des Erfolges ist. Wir reichen jedenfalls die Hand und hoffen, dass sie ergriffen wird.

BM DR. RAMSAUER: Frau Bundeskanzlerin, meine sehr geehrten Damen und Herren, als wir das letzte Mal hier an dieser Stelle und in dieser Runde zusammen waren, habe ich Ihnen eine sehr wichtige Zahl genannt. Ich möchte sie noch einmal an den Ausgangspunkt meiner Darlegungen stellen. Etwa 70 Prozent des gesamten Primärenergiebedarfs werden im Bereich von Verkehr und im Bereich der Gebäude eingesetzt. Das zeigt schon, welch riesiges Potenzial in den Bereichen Verkehr und Bau und damit in meiner Ressortzuständigkeit liegt.

Im Grunde genommen sind es drei wesentliche Punkte, die ich Ihnen vorzutragen habe und die im Bereich unseres Energiekonzepts in mein Haus hineinreichen.

Der erste Punkt ist das CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Wir haben seit Bestehen dieses Programms, seit dem Jahr 2006, erhebliche Energieeinsparerfolge erzielt. Um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben: Pro Jahr wurden etwas mehr als 4 Millionen Tonnen CO2 eingespart. Wenn Sie das über die fünfeinhalb Jahre hochrechnen, so hat allein dieses CO2-Gebäudesanierungsprogramm über die Jahre kumuliert schon 20 Millionen Tonnen bis 25 Millionen Tonnen CO2-Einsparung erbracht.

Ich freue mich sehr, dass nach den Verunsicherungen der Haushaltsverhandlungen der letzten Jahre ‑ obwohl sie in der Frage der Dotierung der CO2-Gebäudesanierung immer einigermaßen vernünftig geendet haben ‑ nunmehr in den kommenden Jahren eine verlässliche Summe von jährlich 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung steht. Ich habe immer darauf hingewiesen, dass wir hier eine Verstetigung brauchen; denn auf den Bereich der CO2-Gebäudesanierung haben sich ganz neue Wirtschaftszweige spezialisiert. Diese kann man nicht ein Jahr hoch-, dann wieder herunter- und dann wieder hochfahren. Das braucht Kontinuität.

Wir liegen mit diesen 1,5 Milliarden Euro pro Jahr höher als im Durchschnitt der Jahre seit 2006. In dieser Zeit waren es im Durchschnitt gut 1 Milliarde Euro jährlich. Dadurch sichern wir die CO2-Gebäudesanierung nicht nur, sondern wir verleihen ihr zusätzlichen Schwung.

Der zweite Punkt betrifft die Ertüchtigung der bestehenden Windkraftanlagen, der Ertüchtigung der Windkraft. Sie kennen bisher dafür den Begriff des Repowering. Das heißt, dass bestehende Windkraftanlagen durch zahlenmäßig weniger, aber dafür stärkere ersetzt werden. Als die Regierung Kohl im Jahr 1991 das Stromeinspeisungsgesetz verabschiedet hat, begann der Bau von Windkraftanlagen. Aus dieser Zeit gibt es noch viele Anlagen im Bereich von einem halben Megawatt, von einem Megawatt, von 1,5 Megawatt. Wir können diese ertüchtigen, das heißt diese bestehenden alten durch weniger neue ersetzen. Das dient im Übrigen auch der Akzeptanz bei der Bevölkerung; denn mancherorts wird über ‑ das ist nicht mein Begriff, aber häufig wird er gebraucht ‑ die Verspargelung der Landschaft geklagt. Wenn weniger, aber stärkere solche Anlagen bei uns stehen, dann dient das auch der Akzeptanz. Wir werden entsprechende Änderungen im Baugesetzbuch vornehmen. Das heißt, wir schaffen mehr Rechtssicherheit beim Rückbau bestehender Anlagen und beim Ausweisen neuer Flächen.

Der dritte Bereich betrifft das Bauplanungsrecht insgesamt. Ich habe ohnehin seit eineinhalb Jahren an einer umfassenden Baurechtsnovelle gearbeitet. Die energierelevanten Bestandteile ziehen wir jetzt heraus und ziehen diese vor. Wir kleiden dies in ein Gesetz zur Stärkung der klimagerechten Entwicklung in den Städten und Gemeinden. Das betrifft beispielsweise die Genehmigungserleichterung für Fotovoltaikanlagen an oder auf Gebäuden.

Im Übrigen haben wir ‑ das gehört auch noch hierher ‑ bereits im Kabinett ein sogenanntes Erstes Gesetz zur Änderung schifffahrtsrechtlicher Vorschriften beschlossen. Das hat nicht unmittelbar mit der Schifffahrt zu tun, aber in diesem Gesetz ist geregelt, wie Offshore-Windkraftanlagen genehmigt werden. Sie werden bisher von einer Fülle von Behörden genehmigt. Das wird jetzt beim BSH, beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, gebündelt. Das ist eine erhebliche bürokratische Erleichterung beim Ausbau der Offshore-Windkraft.

FRAGE: Herr Röttgen, inwieweit können nach diesen Beschlüssen Reststrommengen übertragen werden?

Sie sagten, bis spätestens 2021 seien die sechs nächstältesten Atommeiler vom Netz und bis spätestens 2022 die restlichen. Haben Sie eine Vorstellung davon, ob dann alle auf einen Schlag zu den jeweiligen Endzeitpunkten vom Netz gehen oder wie sich das bis dahin vielleicht schrittweise vollzieht?

BM DR. RÖTTGEN: Die Regelung, die wir vorschlagen und vorsehen, sieht vor, dass wir die Strommenge von einem 32-jährigen Betrieb der Kernkraftwerke zugrundelegen, inklusive der Strommengen des Kernkraftwerks Krümmel und der Strommengen, die Teil des Stilllegungsvergleiches für Mülheim-Kärlich waren. Das ist also eine Strommenge, die dem Betrieb von 32 Jahren entspricht. Diese Strommenge steht nun den Kernkraftwerksbetreibern für den Zeitraum bis 2021 bzw. bis 2022 für den Weiterbetrieb der neuen Kernkraftwerke zur Verfügung.

Darum wird es auch zu Strommengenübertragungen kommen, aber eben im Unterschied zur bisherigen Gesetzgebung und Gesetzgebungssystematik nicht mit der Wirkung, dass dadurch der Endzeitpunkt hinausgezögert werden könnte. Dass es keinen Endzeitpunkt gab, ist ja das bisherige Konzept von Strommengenübertragung. Eine vorhandene Strommenge konnte theoretisch auf wenige Kernkraftwerke übertragen werden, mit der Folge, dass der Betrieb eines Kernkraftwerkes über Jahre hinausgeschoben wird. Das ist nun anders. Die sechs Kernkraftwerke müssen ihren Betrieb Ende 2021 einstellen, die drei verbleibenden Ende 2022, und es gibt keine über diese Zeitpunkte hinausreichende Strommengenübertragung. Innerhalb des Zeitraums kann übertragen werden. Dann wird sich zwangsläufig aus dem Alter der Kernkraftwerke ein gestaffeltes Vom-Netz-Gehen ergeben.

ZUSATZFRAGE: Sie haben also noch keine weiteren Stufen eingeführt?

BM DR. RÖTTGEN: Nein. Wir haben auch noch nicht festgelegt, wie wir das genau ausgestalten. Das werden wir jetzt natürlich tun; heute haben die Arbeiten dazu begonnen. Ich denke aber, dass das im Kern darin besteht, dass die Kernkraftwerksbetreiber die Strommengen, die sie haben, innerhalb dieses Zeitraums zwischen den einzelnen Kernkraftwerken übertragen können ‑ wie gesagt mit der Besonderheit, dass die drei jüngsten, modernsten Kraftwerke ein Jahr länger laufen können, dann aber auch vom Netz gehen müssen.

FRAGE: Herr Röttgen, eine der Maßnahmen, die aus der letzten Nacht bekanntgeworden sind, ist das Kraftwerk für die sogenannte kalte Reserve. Muss dieses Kraftwerk ‑ das ja dann eines der sieben ältesten sein soll, wenn ich das richtig verstanden habe ‑ vorher die Nachrüstung erfahren, die aus dem Katalog der Reaktorsicherheitskommission bekannt wurde, um als Kaltreserve überhaupt infrage zu kommen?

BM DR. RÖTTGEN: Das ist ja eine sehr spezielle Frage. Ich kann sie zunächst einmal im Allgemeinen beantworten: Das bestehende Nachrüstprogramm und übrigens auch das, was wir an neuen und dynamischen neuen Vorschriften in das Atomgesetz aufgenommen haben, stand gar nicht zur Diskussion, sondern das ist so, das bleibt so und das wird abgearbeitet. Es wird in den zehn Jahren keine Politik geben und keinen Verwaltungsvollzug nach der Maßgabe geben: "Das Ende ist ja absehbar, also gibt es einen Sicherheitsrabatt". Den wird es nicht geben. Vielmehr ist Sicherheit die Bedingung des Betriebs bis zur letzten Stunde.

Ob es überhaupt zu dieser Reservefunktion kommt, ist noch offen, aber die Angaben der Bundesnetzagentur müssen selbstverständlich ernstgenommen werden. Diese Frage muss man durch Faktenerhebung noch weiter erhärten, insbesondere im Hinblick auf die Frage: "Welche fossilen Reservekapazitäten stehen zur Verfügung?". Das sagt auch die Bundesnetzagentur selber. Falls es überhaupt notwendig sein sollte, wäre es die Aufgabe der Bundesnetzagentur, das zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität notwendige Kernkraftwerk zu bestimmen. Darum muss auch bei den dafür geeigneten Kernkraftwerken selbstverständlich die Sicherheit gewährleistet sein.

BK'IN DR. MERKEL: Das Kernkraftwerk bräuchte dann ja auch eine Betriebsgenehmigung.

BM DR. RÖTTGEN: Ja, klar.

BK'IN DR. MERKEL: Ich will eines noch einmal deutlich machen: Wir haben die Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass es zu keinem Zeitpunkt einen Blackout in Deutschland gibt. Die Behörde, die uns dafür die sachlichen Angaben machen kann, ist die Bundesnetzagentur. Die Bundesnetzagentur hat uns am Freitag einen Bericht übergeben, nach dem sie nicht für alle Wintertage ‑ nach dem Stand von Freitag ‑ sicherstellen kann, dass insbesondere im südlichen Bereich Deutschlands ausreichend Reserven da sind, um die Netzstabilität unter allen denkbaren Witterungsbedingungen zu garantieren.

Wir haben durch Fukushima gelernt, dass wir mit Risiken anders umgehen müssen. Das heißt, wir können mit dem Risiko eines Blackouts jetzt auch nicht so umgehen, dass wir hoffen, dass das schon nicht passieren wird, sondern wir müssen das sorgsam machen; denn der Schaden für das Land wäre im Falle eines solchen Blackouts beträchtlich. Wir würden es bevorzugen, wenn sich Kaltreserven finden, die nicht aus dem Bereich der Kernenergie, sondern aus dem fossilen Bereich kommen. Deshalb haben wir die Netzagentur auch gebeten, das primär zu prüfen. Nur, wenn es keine andere Möglichkeit gäbe, würden wir die Netzagentur bitten, ein solches Kernkraftwerk herauszusuchen. Dann verlassen wir uns aber auch auf die Hinweise der Bundesnetzagentur dafür.

Um ganz deutlich zu dokumentieren, dass das kein Hintertürchen ist, haben wir gesagt: Das gilt nur für zwei Jahre, also nur für zwei Winter. Wir haben außerdem deutlich gemacht und werden das auch im Atomgesetz deutlich, dass alle sieben ältesten Kraftwerke aus der Leistungserbringung ausscheiden. Das heißt, eine Betriebsgenehmigung kann es überhaupt nur noch geben, wenn die Netzagentur, wie sie das darf, anweist, dass zur Sicherung der Netzstabilität eine zusätzliche Kapazität nötig ist.

BM DR. RÖTTGEN: Das Recht zur kommerziellen Leistungserbringung erlischt, und (diese Bereitstellung einer Reserve) wäre gewissermaßen eine Inanspruchnahme einer Kapazität im öffentlichen Interesse, nämlich für die Netzstabilität ‑ falls es unausweichlich sein sollte, die vorhergehenden Möglichkeiten nicht bestehen und die Notwendigkeit da ist.

FRAGE: Anknüpfend an die kalte Reserve ‑ ich weiß nicht, wer das beantworten kann, Herr Röttgen oder Herr Rösler ‑: Wer zahlt denn die Kosten für diese Stand-by-Lösung? Muss das das Unternehmen übernehmen oder wird das von anderen getragen?

Frau Bundeskanzlerin, Sie haben ja auf den beschleunigten Ausbau der Netze hingewiesen. Sind Sie bereit, dieses Gesetz notfalls auch gegen den Widerstand der Bundesländer ‑ Sie treffen sich ja noch mit den Ministerpräsidenten ‑ zu beschließen? Offenbar gibt es die Rechtsauffassung, dass das theoretisch auch ohne Zustimmung des Bundesrates ginge.

BK'IN DR. MERKEL: Es geht in Form eines zustimmungsfreien Gesetzes, das heißt, eines Einspruchsgesetzes. Ein solches Einspruchsgesetz wird nicht am Bundesrat vorbei verabschiedet, sondern ein solches Einspruchsgesetz wird im Bundesrat natürlich behandelt. Es bedarf einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Länder, um dieses Gesetz zu Fall zu bringen, und nicht nur eine einfache Mehrheit. Wenn also gesagt wird, wir wollten etwas am Bundesrat vorbei machen, möchte ich dazu sagen: In Deutschland kann man am Bundesrat vorbei kein einziges Gesetz beschließen.

Zweitens. Wir waren selbst überrascht, dass dieses Netzausbaugesetz zustimmungsfrei ist, aber die Verfassungsressorts sagen uns dies übereinstimmend.

Drittens. Wenn wir den Netzausbau beschleunigen wollen, brauchen wir einen Geist der Kooperation zwischen Bund und Ländern. Das heißt, wir werden die Diskussion mit den Ländern so führen, dass wir um ihre Zustimmung werben, und werden es nicht darauf anlegen, dass die Länder in Totalopposition gegen unseren Versuch, die Netze schneller auszubauen, arbeiten; denn dann würden wir auch nicht vorankommen. Insofern ist das ein absolut kooperativer Angang. Deshalb trifft der Chef des Kanzleramtes am Mittwoch die Chefs der Staatskanzleien, auch zur Vorbereitung des Treffens mit den Ministerpräsidenten, das wir am Freitag haben werden. Wir werden sehr darauf achten, dass wir eine gemeinsame Linie mit den Ländern finden. Deshalb ist es sehr wichtig, diesen kooperativen Geist auch wirklich deutlich zu machen. Deshalb habe ich das hier noch einmal unterstrichen.

BM DR. RÖSLER: Vielleicht kann ich Ihre Frage zum Thema der Kosten der Reserve beantworten. Es wurde schon angesprochen, dass die Bundesnetzagentur deutlich gemacht hat, dass sie nicht (ausschließen) kann, (dass) in den nächsten ‑ insbesondere den nächsten beiden ‑ Wintern Reserven zur Netzstabilisierung notwendig sind. Zum Umfang: Das wären ungefähr 1.000 Megawatt. Bisher haben wir im konventionellen Bereich ungefähr 300 Megawatt, das heißt, es gibt eine gewisse Lücke. Da war die Überlegung, diese Lücke über Reserven aus den stillgelegten und vom Netz gegangenen Kraftwerken selber zu decken. In welchem Umfang, in welchem Zustand sich die Kraftwerke befinden, muss zunächst einmal geklärt werden. Das ist jetzt Aufgabe der Fachbehörde, also der Bundesnetzagentur. Davon hängt natürlich eins zu eins auch die Kostensituation ab.

Unabhängig von den eigentlichen Größenordnungen ist klar: Diese Maßnahme dient zur Stabilisierung des Netzes und ist am Ende von den Netzbetreibern zu tragen. Das gilt im Übrigen auch in anderen Bereichen, zum Beispiel bei den Kaltreserven im konventionellen Kraftwerksbereich. Auch dort dient diese Kaltreserve zur Sicherheit, zur Netzstabilisierung, und dort sind die Kosten ebenfalls vom Netzbetreiber selber zu tragen.

FRAGE: Herr Röttgen, wenn ich Sie richtig verstanden habe, gibt es keinen stufenweisen Abschaltplan für die verbleibenden neuen Kraftwerke. Heißt das, alle diese Kraftwerke werden irgendwann in 2021 auf einmal vom Netz gehen?

BM DR. RÖTTGEN: Nein. Zunächst einmal muss ich sagen: Wir haben das gesetzestechnisch noch nicht im Einzelnen umgesetzt und umgewandelt. (Dass alle Kraftwerke gleichzeitig vom Netz gehen), wird deshalb nicht der Fall sein, weil die Strommengen nicht ausreichen, um alle neuen Kernkraftwerke bis zu den Endzeitpunkten 2021 bzw. 2022 zu führen. Ich sagte ja, dass 32 Jahre Laufzeit zugrundegelegt worden sind. Manche bzw. die meisten dieser Kernkraftwerke haben ihr Laufzeitende nach 32 Jahren deutlich früher als 2021 und 2022. Hinzu kommen aber noch die Strommengen aus Mülheim-Kärlich und Krümmel, sodass sich aus den nach 32 Jahren endenden Laufzeiten ‑ das fängt circa 2014 bei Grafenrheinfeld an und geht bei anderen dann Jahr für Jahr hoch ‑ Verlängerungen ergeben. Das wird aber eben nicht 2021, sondern bis zu einem Zeitpunkt vor 2021 sukzessive auslaufen.

BK'IN DR. MERKEL: Am Montag werden wir die Novelle des Atomgesetzes im Kabinett haben. In dieser Novelle des Atomgesetzes wird dann zugeordnet werden bzw. bis dahin wird besprochen werden, wie die verschiedenen Kraftwerke bedient werden. Dabei müssen ja auch noch ein paar eigentumsrechtliche Fragen beachtet werden usw., zum Beispiel auch die Frage, wem die Strommengen von Krümmel eigentumsrechtlich gehören, wie man damit verfährt und ähnliches. Das heißt also, das wird eine Kaskade von Abschaltungen sein und nicht an zwei Tagen geschehen.

FRAGE: Heute morgen hat Professor Töpfer in der Bundespressekonferenz noch einmal sehr deutlich gemacht, dass der Zehn-Jahres-Zeitraum das Maximum sei, man könne aber auch schneller aussteigen, wenn man das so wolle. Ich würde gerne noch einmal hören, warum sie sich für die längere Variante entschieden haben.

Die zweite Frage: Sie haben im September von einer Revolution in der Energiepolitik gesprochen. Womit haben wir es jetzt zu tun?

BK'IN DR. MERKEL: Die Revolution bezog sich auf das Zeitalter der erneuerbaren Energien und den Weg zur Erreichung dieses Zeitalters. Wir haben jetzt das entsprechende Ziel des Energiekonzepts (vom Herbst letzten Jahres), also die Verdopplung des Anteils der erneuerbaren Energien bis zum Jahre 2020, übernommen, und haben diesen Teil des Energiekonzepts sozusagen eins zu eins in unser jetziges Energiekonzept eingebaut. Der Unterschied ist, dass wir die sieben ältesten Kernkraftwerke jetzt sehr schnell vom Netz nehmen und dass wir insgesamt schneller aus der Kernenergie aussteigen, dass wir dafür aber mehr Zubau an fossilen Energieträgern brauchen ‑ sprich zum Beispiel Gaskraftwerke und Ähnliches. Auch mit Blick auf unsere Energieszenarien, die wir berechnet haben, müssen wir jetzt ambitionierter vorangehen, zum Beispiel was die Erreichbarkeit einer Reduktion der CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2020 anbelangt. Wir haben dabei also keine Reserven mehr.
Das hat uns dazu geführt, zu sagen: Mit der Art, wie Netzausbau in Deutschland im Augenblick betrieben wird, mit der Art, wie Repowering betrieben wird, wird das nicht zu schaffen sein. Deshalb nehmen wir genau in diesen Bereichen eine Beschleunigung vor, genauso wie wir versuchen, den Kraftwerksneubau zu beschleunigen, um da wirklich auf der sicheren Seite zu sein. Die Zielausrichtung der Erreichung des Zeitalters der erneuerbaren und die verschiedenen Stufen sind aber eins zu eins wieder eingeflossen. Das war das Revolutionäre an diesem Konzept. Hinzu kommt eben der schnellere Ausstieg aus der Kernenergie insgesamt.

Zu Ihrer ersten Frage: Wir haben uns sehr gut überlegt, wie die Ersatzkapazitäten geschaffen werden können, wie der Netzausbau stattfinden kann und wie das mit den Reststrommengen von Krümmel und Mülheim-Kärlich aussieht, und haben uns für die Variante entschieden, dass wir es auch als ein Jahrzehnt empfinden, wenn wir sagen: Bis Ende 2022. Wir haben allerdings sehr genau festgelegt ‑ der Umweltminister hat darauf hingewiesen ‑, dass nur die drei neuesten Kernkraftwerke ‑ und damit auch die Kernkraftwerke mit dem höchsten Sicherheitsstandard ‑ im Jahre 2022 noch laufen werden. Insofern glauben wir, dass die Philosophie, dass Sicherheit das Wichtigste ist, auch in der Abwägung, wie lange das laufen kann, eine Rolle gespielt hat.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, international wird der deutsche Beschluss mit großem Interesse und manchmal auch mit Kopfschütteln verfolgt. Sehen Sie in diesem deutschen Beschluss ein Modell, dem andere Länder folgen könnten? Was für Auswirkungen hat das insbesondere auf die Beziehungen zu den Nachbarländern, wo jenseits der deutschen Grenze ja noch relativ viele Atomkraftwerke stehen?

BK'IN DR. MERKEL: Wir haben in Europa eine sehr unterschiedliche Situation. Unser Nachbar Frankreich zum Beispiel bezieht 80 Prozent seines Stroms auf der Basis von Kernenergie. Was wir erreicht haben, ist, dass alle europäischen Kernkraftwerke jetzt einem Stresstest unterzogen werden. Das heißt, wir nähern uns auch einer besser vergleichbaren Sicherheitsstruktur an. Die Herangehensweise ist aber unterschiedlich.

Es ist richtig, dass dieser Beschluss außerhalb Deutschlands sehr interessiert verfolgt wird. Die Mitglieder der Ethikkommission haben uns erzählt, dass sie unglaublich viele Nachfragen aus anderen Ländern haben, in denen jetzt gefragt wird: "Wie macht ihr das?". Insofern wird darauf sicherlich ein Blick geworfen. Wir glauben, dass wir den Ländern, die sich entscheiden, entweder aus der Kernenergie auszusteigen oder gar nicht erst einzusteigen, zeigen können, dass Wachstum, Arbeitsplätze, wirtschaftliche Prosperität und eine Energieversorgung in Richtung von erneuerbaren Energien zusammengehen. Das ist unser eigentlicher Punkt. Wir kommen hier zu einer neuen Form von Wachstumsmöglichkeiten. Das ist heute noch einmal deutlich gemacht worden: Die Afrikanische Union zum Beispiel hat sich entschieden, im Wesentlichen ohne Kernenergie bzw. ohne den Neubau von Kernkraftwerken auszukommen. Gerade für diese afrikanischen Länder könnte das insofern ein interessantes Modell sein, aber genauso auch für europäische Länder, die sich anders entscheiden.

Wir glauben außerdem, dass wir sehr gute Exportchancen haben werden, denn der Druck, sich mit den Fragen der erneuerbaren Energien zu befassen, nimmt jetzt zu. Sie müssen sehen: Irgendwann schlagen Quantitäten ja auch in Qualitäten um. Wenn Sie vier Prozent Strom aus erneuerbaren Energien haben, dann fällt es nicht sonderlich auf, wenn Sie etwas am Einspeisegesetz ändern. Wenn Sie einen Anteil von 17 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien haben, dann merken Sie schon, was für Wirkungen das hat. Bei 35 Prozent müssen Sie Marktkonformität auch im Bereich der erneuerbaren Energien in gewisser Weise einführen. Und wenn Sie einmal 50 Prozent haben, dann wird das überhaupt nicht mehr anders gehen; denn sonst hätten Sie eben riesige Amplituden und ansonsten nur noch Grundlastkraftwerke, die teilweise stillstehen.

Das heißt, wir lernen bei der Erzeugung der erneuerbaren Energien auch sehr viel, und zwar sowohl von der Rechtstechnik her als auch von der Fördertechnik und von der Vernetzung her. Es wird jetzt immer mehr Kombinationen geben, also zum Beispiel, dass man Windkraft mit Biomasse und anderen Formen (erneuerbarer Energieerzeugung) vernetzt und daran dann auch Speichertechnologien anschließt, um quasi eine dauerhafte Betriebsbereitschaft auch von erneuerbaren Energien zu erzeugen. Das heißt, zu den einzelnen Fähigkeit, ein Windkraftwerk oder eine Biogasanlage zu bauen, werden Komplexe Fähigkeiten hinzukommen, die wir mit Sicherheit auch gut in anderen Ländern vermarkten können. Das, glauben wir, ist ein großer Gewinn für uns.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, der Ausstiegsbeschluss von Rot-Grün zielte auf das Jahr 2022. Ist das jetzt für Sie eine politische Niederlage oder einfach Ironie der Geschichte?

BK’IN DR. MERKEL: Die Systematik des rot-grünen Ausstiegsbeschlusses war erstens eine ganz andere. Dort hat man sozusagen mit Rechtssicherheit bestimmte Strommengen zugeordnet. Das heißt, es war ein rollender Ausstieg. Wir haben jetzt schon festgestellt, dass viele der erwarteten Strommengen noch gar nicht von den Kernkraftwerken abgeflossen waren. Das heißt, der Ausstieg hätte sehr viel später stattgefunden. Das nur zur Rechtstechnik. Wir kommen jetzt zu einem festen Ausstiegsdatum.

Das, was für uns interessant ist, was wichtig ist und was vorher von niemandem geleistet wurde, ist, dass wir beschreiben können, wie wir den Weg dahin schaffen. Sie sehen an der Gruppe von Gesetzen, die wir nächste Woche im Kabinett behandeln werden, dass für diesen Weg noch viel zu tun ist und auch rechtliche Grundlagen zu schaffen sind. Diese Beschreibbarkeit, dass wir nicht die Versorgungssicherheit verlieren, dass wir nicht importieren müssen und nicht sagen, dass das nicht mehr für die Menschen bezahlbar ist und wir uns um die energieintensive Industrie kümmern, ist das qualitativ Neue.

Wir haben wir uns jetzt für ein Ausstiegsdatum entschieden. Ob das dem Beschluss von Rot-Grün nun ähnlich oder unähnlich ist, ist für mich kein Punkt. Wir haben gesagt: Wir wollen es schnellstmöglich machen. Wir haben gesehen, dass wir das mit dem heute vorhandenen Rechtsinstrumentarium nicht schaffen werden. Das heißt: Die Machbarkeit, die Realisierbarkeit und damit auch die Akzeptanz für Wirtschaft und Bürger werden durch unser Konzept aus meiner Sicht sehr verbessert.

FRAGE: Sie haben viel von dem Gesetzespakt und den Ausbau der erneuerbaren Energien gesprochen. Ich habe vermisst, dass etwas zum Erneuerbare-Energien-Gesetz gesagt wurde, was ja immer noch nach Aussage des BMU die Grundlage ist. Wird im Rahmen dieses ganzen Pakets ‑ es gibt ja einen Referentenentwurf ‑ auch das EEG mit abgestimmt? Oder wird es nur Eckpunkte geben? Wie ist genau der Zeitplan? Ist es denkbar, dass auch bestimmte Dinge auf den Herbst verlagert werden?

BM DR. RÖTTGEN: Das EEG und die Novelle des EEG sind Teil dieses Gesetzgebungspaketes ‑ da haben Sie völlig Recht ‑, weil es ein elementarer Teil des Einstiegs ist. Neben der Energieeffizienz ist die Ersetzung insbesondere von Kernenergie durch erneuerbare Energien der Weg, dies zu verwirklichen. Darum gehört das dazu.

Ich habe eben einige Elemente des EEG erwähnt, das Teil des Kabinettsbeschlusses am 6. Juni sein wird und dann in die parlamentarische Beratung geht. Ich habe davon gesprochen, dass wir schrittweise die Marktorientierung durch Einführung einer Marktprämie erreichen. Ich habe davon gesprochen, dass wir die Ausgleichsregelung für stromintensive Unternehmen verändern werden, die Teil des EEG ist. Wir haben uns auch darauf verständigt, bei der Fotovoltaik zwei Änderungen vorzunehmen. Das ist zum einen eine Ausweitung von Flächen, auf denen Fotovoltaik zusätzlich gefördert werden soll, nämlich auch auf solchen Konversionsflächen, die FFH-Gebiete sind ‑ also nicht in FFH-Gebieten generell, sondern auf militärischen oder industriellen Konversionsflächen, die auf stark beanspruchte Flächen sind. Zum Ausgleich diskutieren wir zwischen den Ressorts, dass es zu dem Volumenausbau, der dazu kommt, noch einmal im nächsten Jahr möglicherweise einen weiteren einmaligen Degressionsschritt von 6 Prozent zum 1. März des nächsten Jahres geben soll.
Wir haben bei der Biomasse noch einmal eine Veränderung zum Referentenentwurf vorgenommen. Wir wollen kleine Hofanlagen, die insbesondere auch zur Gülleverwertung dienen, besonders fördern, um die Dezentralität in diesem Bereich zu realisieren. Wir werden bei den großen Biogasanlagen noch einmal mit der Vergütung von 6 auf 5 Cent heruntergehen. Sie sehen also, dass wir dort schon relativ effiziente Zahlen realisieren können.

Wir sehen vor, dass ab 2014 diese großen Anlagen, die auch eine Speicherfunktion haben ‑ Biomasse und Biogasanlagen sind neben der Wasserkraft die bislang einzig wirklich relevant speicherfähigen erneuerbaren Energien ‑, zwingend und vorgeschrieben obligatorisch in die Marktverwertung gehen sollen. Sie sollen also keine feste Vergütung, sondern eine Marktvergütung erhalten.

Das waren die wesentlichen Punkte aus dem Bereich. Es mag noch ein paar andere Punkte geben, aber das sind die wichtigsten.

FRAGE: Herr Röttgen, Sie sprachen von einer Endlagersuche insbesondere von Gorleben. Sie sagten, es gebe eine ergebnisoffene Prüfung. Sie haben gesagt, dass noch andere geologische Formationen geprüft werden. Diese Formulierung hört man immer wieder. Heißt das, dass es eine neue ergebnisoffene Endlagersuche auch zum Beispiel im schönen Bayern gibt?

BM DR. RÖTTGEN: Das, was wir neben der Fortführung vorschlagen, ist, dass wir ein Verfahren finden, um uns darauf zu verständigen, nach welchen Kriterien und unter wessen Beteiligung geologische Formationen untersucht und bewertet werden sollen. Wer macht das wann, wie und mit welcher Verbindlichkeit? Neben dieser Bewertung von geologischen Formationen wollen wir auch die Diskussion und die Abwägung führen, ob es auch andere Entsorgungsoptionen gibt. Das ist auch die Option unterirdische oder oberirdische Lagerungen. In den USA gibt es diesen Trend, dauerhafter und längerfristiger oberirdisch zu lagern. Das ist kein Präjudiz und keine Festlegung für irgendetwas. Wenn man das Thema öffnen und einen Konsens haben möchte, muss man auch die Fragestellung, die in der Sache vorhanden ist, partei- und gesellschaftsgruppenübergreifend neu aufgreifen. Das soll geschehen.

Ich kann keine Ergebnisse eines solchen Verfahrens vorwegnehmen, weil es dann zu einer Bewertung von geologischen Formationen in einem solchen Verfahren kommen soll. Das kann ich heute nicht vorweg beantworten, sondern das muss ja gerade bewertet werden. Ich kann Ihnen leider nicht sagen, wie man Ton und Salz bewertet. Das muss dann in einem Verfahren ermittelt werden.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gesagt, dass der Atomausstieg eine Herausforderung ist. Welche Herausforderungen müssen die normalen Bürger in Deutschland in diesem Zusammenhang hinnehmen?

Zweitens. Ich habe von französischen Wirtschaftsverbänden Kritik vernommen. Wann wird Deutschland nicht mehr von Stromimporten aus Frankreich abhängig sein?

BK’IN DR. MERKEL: Wir haben gesagt, dass wir den Nettobedarf unserer Stromversorgung selber erzeugen wollen. Wir sind Teil des europäischen Energiemarktes. Das heißt, es gibt immer Stromflüsse, die hin- und hergehen. Aber die Erzeugungskapazität für unseren zu gebrauchenden Strom wollen wir selbst schaffen. Es gibt immer unterschiedliche Zeiten: Mal haben wir zum Beispiel sehr viel Wind, und dann ist Frankreich froh, wenn es zum Beispiel sehr heiß ist und die Wasserkühlung in den Atomkraftwerken sehr schlecht funktioniert. Jeder ist also auf jeden im europäischen Markt angewiesen. Wir wollen den europäischen Markt verbessern.

Zweitens. Was die Herausforderungen anbelangt, so ist es so, dass es das Erneuerbare-Energien-Gesetz gibt und heute eine sogenannte Umlage in diesem Erneuerbare-Energien-Gesetz von etwa 3,5 Cent pro Kilowattstunde festgeschrieben ist. Das heißt, dass auf jede erzeugte Kilowattstunde 3,5 Cent auf den Strompreis aufgeschlagen werden, außer auf die von dieser Umlage ausgenommen energieintensiven Unternehmungen.

Wir wollen im Großen und Ganzen diesen Bereich konstant halten. Wir wollen durch mehr Marktförmigkeit in der zukünftigen Förderung sicherstellen, dass die Größenordnung von 3,5 Cent nicht überschritten wird. Es werden sicherlich noch gewisse Kosten durch den Neubau der Netze entstehen, weil dort vergleichsweise viel passieren muss. Ich kann sagen, wenn man sich in der Vergangenheit die Strompreissteigerungen angeschaut hat, dass das aus meiner Sicht Kosten sind, die durchaus im Rahmen liegen und dass ich Bereiche kenne, in denen die Preissteigerungen noch größer sind. Wir haben viele Preissteigerungen im Abfall- und Abwasserbereich usw. Ich glaube, das ist gemessen an der Größe der Aufgaben vertretbar.

Ein Bereich, in dem wir wirklich aufpassen müssen ‑ und das muss innerhalb Europas geklärt werden ‑, ist der Bereich der energieintensiven Industrie, denn diese liegt in einem globalen Wettbewerb. Da zählt jeder halbe Cent schon sehr, sehr stark.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, Sie hatten angekündigt, dass Sie auch den Konsens mit der Opposition suchen, und hatten gestern auch SPD und GRÜNE eingeladen. Sind Sie nach den Gesprächen, die gestern Abend stattgefunden haben, und den Reaktionen heute immer noch optimistisch, dass es gelingen kann, einen parteiübergreifenden Konsens zu finden?

Herr Raumsauer, eine Frage an Sie, weil Sie die Gebäudesanierung angesprochen haben: Halten Sie die Veränderung des Mietrechts, indem man Mieter an den Kosten beteiligt, um die Gebäudesanierung weiter zu forcieren, für ein wichtiges und geeignetes Mittel?

BK’IN DR. MERKEL: Durch unsere Gespräche mit der Opposition haben wir deutlich gemacht: Wir sind an einem solchen Konsens, zumindest, wenn er sich ergibt, interessiert. Wir können unsere Entscheidungen auch als Regierungsmehrheit treffen. Das ist keine Frage. Aber dieses Thema aus den gesellschaftlichen Streitigkeiten weiter herauszuhalten, als das bisher der Fall war, ist, glaube ich, von großem Wert, im Übrigen auch für die Wirtschaft, die nämlich dann Investitionssicherheit hätte. Es ist auch ein ganz wichtiger Punkt, dass nicht zu jeder Bundestagswahl wieder eine größere Auseinandersetzung um die Frage entbrennt, wie die Energieversorgung der nächsten vier Jahre aussieht.

Die Äußerungen, die ich heute höre, sind nicht niederschmetternd, würde ich sagen, sondern durchaus abgewogen, abwartend. Insofern schauen wir jetzt einmal. Die Papiere liegen vor. Wir sind zu allen Informationen bereit. Wir sind offen und werden jetzt zunächst den Verlauf der weiteren Ereignisse abwarten. Wir werden dann sehr konkrete Gesetzgebungsverfahren im Deutschen Bundestag haben, wir werden die Gesetzgebungsverfahren im Bundesrat haben. Ich habe Ihnen gesagt, dass wir zum Beispiel beim Netzausbaugesetz eine Mehrheit der Länder suchen, auch wenn wir sie formal gar nicht brauchen. An der Bundesregierung und an den Parlamentsfraktionen, die diese Regierung tragen, soll es nicht liegen, dass wir in irgendeiner Weise einen konfrontativen Kurs fahren. Den Rest muss dann jeder für sich entscheiden.

BM DR. RAMSAUER: Ich darf kurz zum Bereich des Mietrechts ergänzen. Wir arbeiten schon seit einiger Zeit an einer größeren Novelle des Mietrechts. Wenn ich "wir" sage, dann meine ich nicht nur mein Haus, sondern, was die Federführung anbelangt, das Justizministerium; aber mein Haus arbeitet hier natürlich in der materiellen Betroffenheit zu.

Ein großer Aspekt ist die Frage der Überwälzbarkeit von Kosten, die durch energetische Gebäudesanierung entstehen. Ein weiterer Aspekt wäre zum Beispiel die Bekämpfung von Mietnomadentum. Wir sind uns in den Gesprächen einig ‑ Frau Bundeskanzlerin, bei einem unserer Gespräch, die wir hier im Hause mit den gesellschaftlichen Gruppen geführt haben, war auch der Präsident des Deutschen Mieterbundes dabei ‑, dass es ohne eine solche Abwälzbarkeit von energiesanierungsbedingten Kosten nicht gehen wird. Man muss auch sehen, dass der Mieter, wenn ein Gebäude saniert ist, Einsparungen zu verzeichnen hat, dass dann sozusagen die Komponente der Warmmiete entsprechend für ihn sinkt.

Wir werden allerdings diese Mietrechtsnovelle nicht in dem großen Gesetzespaket mit verabschieden, das wir jetzt am kommenden Montag im Kabinett beraten werden, sondern wir werden dies dann im Laufe dieses Jahres bewältigen.

FRAGE: Sehen Sie es mir nach, dass ich noch einmal auf die Kaltreserve zu sprechen komme. Ich habe schon verstanden, dass Sie sagten, Sie hoffen, dass dieser Spitzenbedarf möglicherweise durch fossilen Träger gedeckt werden könnte, und dass noch nicht sicher ist, ob es dazu kommt. Aber wenn es dazu käme, so habe ich, glaube ich, Herrn Seehofer heute Morgen richtig verstanden, dass er kein Interesse daran hat, Isar I dafür noch einmal ans Netz zu lassen. Von Herrn Kretschmann darf man das auch nicht erwarten. Dann bliebe im Süden nur Biblis und damit ein Betreiber, der sich rechtliche Schritte gegen Ihren beschleunigten Ausstieg vorbehalten hat. Verbinden Sie, da eine solche Stromproduktion für den Eigentümer auch sehr lukrativ sein kann, damit die Hoffnung, die Streitlust oder Klagelust des Betreibers zu mindern?

BK’IN DR. MERKEL: Absolut nicht. Deshalb haben wir auch gesagt: Das entscheiden nicht wir, sondern die Netzagentur soll in Gesprächen mit den Betreibern und den Netzbetreibern entscheiden, wo es am sinnvollsten ist. Die Netzagentur kann das, wenn ich richtig informiert bin, auch in gewisser Weise zuordnen.

Die Netzstabilität ist also in ganz hohem Maße abgesichert. Insofern ist das ein sehr hohes Gut, was vielleicht auch jeder versteht. Im Winter für einige Stunden keinen Strom zu haben, ist ein größeres Ereignis und, ich würde sagen, relativ negativ behaftet. Das möchte man also im Sinne des Vorsorgeprinzips vermeiden. Deshalb sind wir wirklich verpflichtet, hierfür Sorge zu tragen. Wir können doch nicht einen Bericht der Bundesnetzagentur anfordern, in dem steht, nach jetzigem Stand könne man nicht sagen, dass man für alle Tage des Jahres die Stromversorgung sicherstellen könne, und dann sagen: Darauf reagieren wir nicht. Wir haben vielmehr die Pflicht, darauf zu reagieren, wir reagieren aber so, dass wir hier nichts politisch bestimmen, um genau diese Fragestellung zu vermeiden. Deshalb können und wollen wir hier auch nicht spekulieren. Uns ist es wie Herrn Seehofer lieber, es findet sich eine konventionelle kalte Reserve, die dafür eingesetzt werden kann.

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Ethikkommission: Atomausstieg bis 2021

"Deutschlands Energiewende – ein Gemeinschaftswerk für die Zukunft"
Pressemitteilung Bundesregierung.de

Die Kernkraftwerke in Deutschland sollen nur noch so lange laufen, bis risikoärmere Stromerzeugung ihre Leistung ersetzen kann. Die Ethikkommission "Sichere Energieversorgung" ist davon überzeugt, dass sich der Ausstieg aus der Kernenergie innerhalb eines Jahrzehntes abschließen lässt. "Wir wollen, dass der Strom sicherer wird, aber auch bezahlbar bleibt", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Entgegennahme des Berichts der Kommission.
Das Zehnjahresszenario entwerfen die Fachleute in dem Bericht, den die Bundesregierung im März in Auftrag gegeben hatte.

Der schrittweise Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie stelle eine außerordentliche Herausforderung für alle Beteiligten dar, heißt es darin. Zugleich ergebe sich jedoch eine Quelle neuer Chancen für die Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger an dezentralen Entscheidungen.

Auf 48 Seiten gibt die Kommission Empfehlungen, wie sich die Energiewende wirksam bewerkstelligen lässt. So schlagen die Expertinnen und Experten eine systematische Begleitung des Prozesses vor: mit umfassenden Analysen, Bewertungen und Handlungsempfehlungen in den verschiedenen Phasen.

"Wir werden die Empfehlungen der Ethik-Kommission als Richtschnur unseres Handelns nehmen", kündigte die Bundeskanzlerin an. In kurzer Zeit hätten die Mitglieder der Kommission einen umfangreichen Auftrg zu bewältigen gehabt, würdigte sie die Arbeit des Gremiums.

Der Ausstieg ist möglich

Der Ausstieg aus der Kernenergie sei möglich, konstatieren die Fachleute, weil risikoärmere Alternativen zur Verfügung stünden. Wissenschaft und Forschung, aktuelle technologische Entwicklungen sowie unternehmerische Initiative böten gute Voraussetzungen, den Ausstieg tatsächlich zu meistern.

Mit Stromerzeugung aus Wind, Sonne, Wasser, Geothermie, Biomasse verfügt Deutschland über genügend geeignete Alternativen zur Kernkraft. Allerdings kommt es künftig stärker noch als bisher auf effizientere Nutzung und höhere Produktivität bei der Energieerzeugung an. Schließlich könnten nicht zuletzt die Bürgerinnen und Bürger mit Veränderungen ihres Lebensstiles wichtige Beiträge leisten, so die Experten.

Energiewende bedarf gemeinsamer Anstrengung

Nur wenn alle Ebenen der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft gemeinsam handelten, werde die Energiewende gelingen, konstatiert die Ethikkommission. Um das sicherzustellen, schlägt das Gremium ein Nationales Forum Energiewende vor. Die Plattform soll den erforderlichen gesellschaftlichen Dialog anregen.

In intensiven Bürgerdialogen sehen die Ethikfachleute ein geeignetes Instrument, um die für die Energiewende erforderlichen Entscheidungen zügig voranzutreiben. Zur regelmäßigen kritischen Überprüfung der Fortschritte regt die Kommission einen unabhängigen Parlamentarischen Beauftragten für die Energiewende beim Deutschen Bundestag an.

>> Abschlussbericht Ethikkommission (PDF, nicht barrierefrei) (457 KB)

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28 Mai 2011

160.000 Menschen demonstrieren in über 20 Städten für den sofortigen Atomausstieg

Pressemitteilung www.anti-atom-demo.de

Berlin: Erstmals in der Geschichte der Anti-Atombewegung demonstrierten heute unter dem Motto "Atomkraft -Schluss!" gleichzeitig in über 20 Städten insgesamt 160.000 Menschen für ein schnelles Ende der Atomkraft. In der Hauptstadt zogen 25000 Atomkraftgegner vor die CDU-Zentrale und forderten Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, ohne jede Verzögerung das Ende der Atomenergienutzung in Deutschland durchzusetzen. Zu den Demonstrationen in Berlin, Hamburg, Frankfurt am Main, Kiel, Bremen, Hannover, Göttingen, München, Fürth, Landshut, Mannheim, Freiburg, Ulm, Bonn, Münster, Essen, Mainz, Dresden, Magdeburg, Güstrow und Erfurt hatten der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt, Attac, Campact, Robin Wood, contrAtom, die NaturFreunde Deutschland und die IG Metall aufgerufen.

Der bundesweite Protest sei ein deutliches Zeichen dafür, dass der Großteil der Bevölkerung die Atomenergie strikt ablehne und eine schnelle Energiewende fordere, erklärten die Veranstalter. Diesen Willen dürfe die Bundesregierung bei ihren bevorstehenden Entscheidungen zum Atomausstieg nicht ignorieren. Am Ende des AKW-Moratoriums müsse das sofortige Ende der Atomkraft ohne Wenn und Aber stehen. Der Gau von Fukushima und die Tatsache, dass auch die deutsche Reaktorsicherheitskommission kein einziges AKW hierzulande für sicher halte, ließen keine andere Entscheidung zu.

Bundeskanzlerin Angela Merkel gehe es scheinbar nicht mehr um die angekündigte Neubewertung des atomaren Risikos nach Fukushima und einen schnellstmöglichen Atomausstieg, sondern um Frieden in der Koalition. Eine Verzögerung des dringend und schnellstmöglich erforderlichen Atomausstiegs werde nicht hingenommen, erklärten die Veranstalter. Man werde in den kommenden Wochen weiter für die sofortige Abschaltung jeder einzelnen Atomanlage kämpfen. Für Pfingsten seien von etlichen Organisationen und Gruppen bereits große Blockadeaktionen an mehreren Atomkraftwerken in Planung.

Übersicht der Teilnehmerzahlen:

Berlin 25000
Hamburg 20000
Frankfurt am Main über 8000
Kiel 3500
Bremen 3900
Hannover 12000
Göttingen 3500
München 25000
Fürth 8000
Landshut 8500
Mannheim 4100
Freiburg 10000
Ulm 4000
Bonn 7500
Münster 7000
Essen 3500
Mainz 4000
Dresden 3200
Magdeburg 750
Güstrow 700
Erfurt 1800

Mehr Informationen im Internet unter www.anti-atom-demo.de
www.anti-atom-demo.de

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26 Mai 2011

Schweiz beschließt Atomausstieg

Der Bundesrat der Eidgenossenschaft hat gestern (25.05.2011) in einer Klausursitzung beschlossen:
- Keine neuen Atomkraftwerke
- Stattdessen beschleunigter Ausbau erneuerbarer Energien
- Abschaltung der alten Atommeiler, allerdings ohne klare Terminvorgabe, sondern einer fiktiven "Lebensdauer" der Atomkraftwerke.

Zur "Lebensdauer von Atomanlagen"

In der Betreiberpropaganda wird die "Lebensdauer" der Atomkraftwerke stereotyp und pauschal auf "50 Betriebsjahre" angesetzt. Solche Zahl wird als "wissenschaftlich fundiert" propagiert, was vollständiger Unsinn ist, zumal die vier Atomkraftwerke technisch nur wenig vergleichbar sind und zahlreiche Materialermüdungserscheinungen in Bereichen aktenkundig wurden, in denen ein Komponentenaustausch unmöglich ist, beispielsweise die lange Zeit verheimlichten Kernmantelrisse im AKW-Mühlberg.

Zur fehlenden "Terrorsicherheit der eidgenössischen Atommeiler" >> KLICK

Immerhin befindet sich jetzt auch die Schweiz auf dem richtigen Weg, wenngleich erstaunt, wie wenig Innovation die Schweiz im Bereich der erneuerbaren Energien bringt und dabei zu sehr auf die Wasserkraft fixiert ist, obwohl die Voraussetzungen für beispielsweise sonnenenergetische Großkraftwerke (Photovoltaik, Paraboloidkraftwerke) in der Schweiz deutlich mehr hergeben würden als vergleichsweise in Deutschland.

Und albern natürlich auch, dass sich die Eidgenossen ausgerechnet von der Atomlobby immerzu von "internationalen Abhängigkeiten" und "steigenden Strompreisen" einschüchtern lassen, als würde man in der Schweiz die radioaktive Brennstoffe von den Bäumen ernten können (zum Glück nicht) und als sei ein SuperGAU und der Atommüll billiger als der Umstieg in die Endlosenergie, zumal allein mit den erneuerbaren Energien Abhängigkeiten reduziert werden können.

Ohnehin ist die nationalistische Propaganda der Atomlobby falsch und absurd:

FALSCH, weil die Energieversorgung erheblich besser im internationalen Verbund gewährleistet werden kann,
ABSURD, weil die Atomkonzerne international verbandelt sind und die nationalistische "Unabhängigkeit" bloß propagieren, um die Nationalstaaten für ihren Atomstrom gegeneinander auszuspielen.

Kein einziger dieser Atommanager würde im Falle einer Superhavarie zum "Helden", sondern schön weit ab vom Unheil "vollständige Aufklärung" versprechen und dann den "Rücktritt" als "Verantwortungsübernahme" ausgeben - ohne Haftung mit Vermögen und Freiheit.

Markus Rabanus >> Diskussion

TEPCOs Betrug - die Lehren aus Fukushima

Greenpeace veröffentlicht Bericht über Super-GAU in Japan
Pressemitteilung Greenpeace.de

Greenpeace präsentiert heute eine bislang unveröffentlichte Studie, die die Desinformationspolitik des Nuklearkonzerns TEPCO und der japanischen sowie internationalen Atombehörden als gefährlich und verantwortungslos entlarvt. Schon wenige Stunden nach dem japanischen Erdbeben vom 11. März hat TEPCO von den Kernschmelzen in Fukushima gewusst und die radioaktive Verseuchung seiner Angestellten, der umliegenden Region und des Meerwassers in Kauf genommen.

Auch die deutsche Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) übernahm kritiklos die verharmlosenden Darstellungen. Die neuen Erkenntnisse haben nach Meinung der Umweltschützer auch Konsequenzen für die technische und ethische Bewertung der Atomkraft in Deutschland. Greenpeace übergibt deshalb die Studie heute der Ethikkommission, die am kommenden Samstag ihre Empfehlungen an die Bundesregierung geben wird.

Niemand lügt ohne Grund, sagt Heinz Smital, Atomexperte bei Greenpeace. Die Ausflüchte und Verheimlichungen von TEPCO sowie die andauernden Beschwichtigungen und Verharmlosungen der internationalen Atombehörden haben nur ein Ziel: Man will die Menschen glauben machen, dass die Atomkraft auch nach dem katastrophalen Unfall in Fukushima beherrschbar ist. Doch das ist der größte Irrtum.

Die Studie macht deutlich, dass TEPCO bereits in den ersten Stunden nach dem Erdbeben von den Kernschmelzen gewusst und die japanische Bevölkerung und die internationale Gemeinschaft seitdem bewusst getäuscht hat. Innerhalb der ersten 24 Stunden des Unfalls hatte TEPCO direkten Zugang zu Daten, welche die rasch ansteigenden Temperaturen im Druckbehälter sowie eine Kernschmelze offensichtlich machten. Dem Report zufolge konnte der britische Nuklearingenieur Dr. John Large die Kernschmelzen in den Reaktoren 1-3 trotz der verheimlichten Daten schon wenige Tage nach der Explosion nachweisen. Die Entscheidung, Meerwasser auf die Reaktoren zu schütten, geschah in dem vollen Bewusstsein, dass der Druckbehälter bereits gebrochen war. Man nahm in Kauf, dass mehrere zehntausend Tonnen hoch radioaktives Wasser auslaufen und in die Umwelt gelangen konnten.

Deutschland ist wie Japan nicht auf einen Super-GAU vorbereitet. Das macht die Hilflosigkeit im Umgang mit der Katastrophe in Japan deutlich, sagt Smital. Die in Fukushima ergriffenen Maßnahmen zur Kühlung der Reaktoren wären in Deutschland unmöglich. Wir könnten nicht radioaktiv verseuchtes Wasser ins Meer pumpen. Der deutsche Katastrophenschutz wäre einer Evakuierung nicht gewachsen. Es gibt daraus nur drei logische Schlüsse für Herrn Töpfer und die Ethik-Kommission: Die gefährlichsten Reaktoren müssen sofort vom Netz, die Anlagen in Erdbebengebieten müssen ohne Tabus auf den Prüfstand und alle übrigen AKW müssen so schnell wie möglich abgeschaltet werden und zwar ohne Hintertürchen. Ein mittelfristiger Ausstieg 2022 wäre nicht zu verantworten und ist daher nicht akzeptabel."

25 Mai 2011

Schweiz: Radioaktiv oder atomenergiefrei?

Heute debattiert der Schweizer Bundesrat drei Szenarien zur künftigen Energiepolitik: Weiterhin radioaktiv, mittelfristiger Atomausstieg, rascher Atomausstieg. Die Schweizer Atomlobby beschwört indes fortgesetzt, dass ihre Atomkraftwerke sicher seien, obwohl unlängst bekannt wurde und bestätigt werden musste, dass im AKW-Mühlberg Kernmantelrisse aufgetreten sind, die auch durch die Reparaturbehelfe nicht stabilisiert werden können. Die dazu angebrachten Zuganker können versagen, heißt es in einem zuvor geheimen Gutachten. - GEHEIMHALTUNG war durch das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht angeordnet worden. Dass unter solch gestattetem Risiko-Verschweigen auch die demokratische Selbstbestimmung leidet, schien den Bundesrichtern weniger bedeutsam als den Atomkonzernen die Sorglos-Propaganda zu sichern. (msr)

FEHLER: Regierung will Brennelementesteuer streichen

Um die Energiekonzerne zu "besänftigen", plant die Regierung die Streichung der Steuer für radioaktive Brennelemente, berichtet die Financial Times Deutschland unter Berufung auf nicht namentlich genannte Regierungsvertreter. Dazu die vollends unsinnige Behauptung, dass die Konzerne ansonsten "nicht in alternative Energien investieren können", solange Unternehmen wie EON und RWE mit 20-prozentigen Umsatzrenditen glänzen.
Desweiteren solle der Steuererlass RWE zur Klagerücknahme wegen der Biblis-Stilllegung veranlassen. - Woher die Angst? Auf welche Weise erfolgten die Stilllegungen, dass die Atomlobby daraus Klagerechte geltend macht und sich die Politik gefügig macht?

Markus Rabanus >> Diskussion

NACHTRAG: Besser als eine "Brennelementesteuer" wäre allerdings eine echte Atomstromsteuer, ansonsten werden unsere Atomkonzerne verstärkt im Ausland Atomstrom produzieren und in Deutschland verkaufen. (msr)

23 Mai 2011

Bürgerlobby macht Druck auf MDB's

Pressemitteilung >> campact.de

Bürger verlangen in 64 Wahlkreisen Atomausstieg bis 2015 / Campact: "Keine Regierungslinie für Energiewende erkennbar, Dialogbereitschaft der Abgeordneten steigt"
Berlin, 23.5.2011. Im Rahmen einer bundesweiten "Dialogwoche" verlangten Bürger von den Bundestagsabgeordneten von CDU, CSU und FDPaus ihren Wahlkreisen, sich für einen kompletten Atomausstieg bis spätestens 2015 einzusetzen. Das Kampagnennetzwerk Campact hatte alleAbgeordneten der schwarz-gelben Koalition zu öffentlichen Diskussionen eingeladen. Doch nur 26 Abgeordnete stellten sich den Fragen der Bürger. Vor den Wahlkreisbüros von 38 weiteren Abgeordneten gab es Protestaktionen, weil diese einer Diskussion mit den Bürgern nicht zugestimmt hatten.
"Die Diskussionen haben die Uneinigkeit der Regierungsfraktionen zu Tage gefördert: Von einem Enddatum nach Kassenlage bis zu einem schnellen Atomausstieg ohne Hintertürchen gab es alle Positionen zu hören", sagt Ferdinand Dürr von Campact. Mit den Aktionen wolle man als "Bürgerlobby" ein Gegengewicht zur Atomlobby bilden, die mit Warnungen vor Stromausfällen und Preissteigerungen die Bevölkerung verunsichern wolle. "Das ist pure Panikmache. Wenn die Atomkraftwerkelänger laufen macht das den Strom nicht billiger, sondern nur die Energiekonzerne reicher", betonte Dürr. "Eine schnelle Energiewende bietet dagegen die Chance auf mehr Wettbewerb am Strommarkt, weil über ein Fünftel der Kraftwerkskapazitäten neu verteilt würden." Das sehe auch das Bundeskartellamt so.
"Wenigstens die Dialogbereitschaft ist gestiegen und die demokratische Kultur hat gewonnen", resümiert Dürr. "Einige Abgeordnete wollen doch noch mit den Bürgern diskutieren, nachdem sievon unseren Aktionen gehört hatten. Offenbar haben auch einige Politiker von CDU/CSU und FDP begriffen, dass die Atomkraft nicht gegen die Mehrheit der Menschen durchsetzbar ist."
Die Bürgerlobby fordert einen Atomausstieg bis spätestens 2015. "Sogar der Regierungsberater Professor Dr. Olav Hohmeyer rechnet in einer Studie vor, dass dies möglich ist - und zwar ohne Atomstrom aus dem Ausland oder den Bau neuer, klimaschädlicher Kohlekraftwerke", soDürr. "Die Abgeordneten von Schwarz-Gelb müssen sich endlich an den Interessen der Bürgerinnen und Bürger orientieren, statt weiter Klientelpolitik für die vier großen Stromkonzerne zu betreiben."
Eine Übersicht über die Aktionen finden Sie unter:
>> www.campact.de/buergerlobby

21 Mai 2011

ÜBER 10.000 BALLONS WARNEN VOR TÖDLICHEN NACHBARN

Pressemitteilung >> campact.de

Atomkraftgegner starten Ballonwolke am AKW Unterweser / Ballons sollen zeigen, wohin es eine radioaktive Wolke wehen würde, wenn es zu einem Super-GAU käme / „Risikoreaktor ist weder gegen Hochwasser noch gegen Flugzeugabstürze ausreichend geschützt“
Nordenham, 21.5.2011. Atomkraftgegner haben am AKW Unterweser heute aus über 10.000 schwarz-gelbe Ballons ein riesiges Radioaktivitätszeichen gebildet und die Ballons als „radioaktive Wolke“ gestartet. Die Ballons sollen zeigen, wohin eine radioaktive Wolke wehen würde, wenn es im AKW zu einem schweren Unfall, einem Terroranschlag oder einer Naturkatastrophe käme. Momentan ist der Reaktor aufgrund des Atom-Moratoriums der Bundesregierung abgeschaltet – eine Entscheidung über seine endgültige Stilllegung wurde aber noch nicht getroffen.
„Das AKW Unterweser ist insbesondere im Hinblick auf Hochwasser und Flugzeugabstürze völlig unzureichend gesichert. Was im Falle eines schweren Unfalls geschähe, zeigen wir mit unserer Wolke aus 10.000 Ballons: Der Atommeiler Unterweser ist ein tödlicher Nachbar. Ein Super-GAU kann sich hier jeden Tag ereignen. Dieser Risikoreaktor darf nie wieder ans Netz gehen“, fordert Campact-Geschäftsführer Christoph Bautz. „Hinter jedem der Ballons steht ein Mensch, der von der Bundesregierung jetzt den konsequenten und unumkehrbaren Ausstieg aus der Atomkraft verlangt.“
Bautz kritisierte Überlegungen in der schwarz-gelben Regierungskoalition, den Atomausstieg mit einer Revisionsklausel wieder umkehrbar zu machen. „Eine Untoten-Klausel wollen wir nicht. Wer den Atomausstieg vom Ausbautempo der Erneuerbaren Energien abhängig macht, der lädt die Atomkonzerne ein, die Energiewende zu sabotieren. Damit würde der Ausstieg in die Hände der Konzerne gelegt – und der Bock zum Gärtner gemacht.“
Die Aktion wurde von dem Kampagnennetzwerk Campact in Zusammenarbeit mit den lokalen Bürgerinitiativen „Aktion Z“ und „AntiAtomOldenburg“ organisiert.

20 Mai 2011

Lügenbegriff "Restrisiko"

Der Begriff "Restrisiko" wurde oft genug als Lügenbegriff der Atomlobby geoutet, so dass wir ihn in unseren Verzeichnissen durch den Begriff "SuperGauRisiko" ersetzen.

Markus Rabanus >> Diskussion

18 Mai 2011

AKW-Stresstest der IPPNW

Hilfreiche Handreichung für Politiker in Bund und Ländern
Pressemitteilung IPPNW

Einen Tag nach der völlig unzulänglichen, so genannten Sicherheitsüberprüfung deutscher Kernkraftwerke der Reaktorsicherheitskommission (RSK) legt die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW einen verbesserten AKW-Stresstest vor, der diesen Namen auch tatsächlich verdient. Die IPPNW stützt sich dabei maßgeblich "auf die hervorragenden sicherheitstechnischen Anforderungskriterien der Aufsichtsbeamten in Bund und Ländern" sowie auf eigene langjährigen sicherheitstechnische Recherchen insbesondere im Kontext der IPPNW-Klage zur Stilllegung des Atomkraftwerks Biblis B.

Politikerinnen und Politiker in Bund und Ländern, aber auch in den standortnahen Kommunen können diesen Stresstest auch nutzen, um über Anfragen bei ihrer Atomaufsicht schnell eine realitätstaugliche sicherheitstechnische Einschätzung der sie betreffenden Atommeiler zu bekommen.

Der AKW-Stresstest der IPPNW unterscheidet sich von dem der RSK insbesondere dadurch, dass er das normale Störfallspektrum wie auch die gerade nach Fukushima so wesentliche Thematik der "Kernschmelzfestigkeit" mit umfasst.

Die Kriterien ergeben sich im Wesentlichen aus der Prioritätensetzung der Aufsichtsbeamten in Bund und Ländern wie auch aus den Ergebnissen der Deutschen Risikostudie Kernkraftwerke sowie der Periodischen Sicherheitsüberprüfungen der deutschen Atomkraftwerke.

Der AKW-Stresstest der IPPNW umfasst die folgenden Themenbereiche:
1. Schutz gegen Erdbeben, Flugzeugabsturz, Beschuss
2. Schutz gegen extreme Wetterereignisse
3. Interne redundanzübergreifende Ereignisse
4. Verbesserte Notstandssysteme
5. Notfallmaßnahmen
6. Kernschmelzfestigkeit
7. Kühlsysteme
8. Stromversorgung
9. Abschaltsysteme
10. Messwerterfassung, Leittechnik und Reaktorschutz
11. Werkstoffe, konstruktive Ausführungen, Schweißnähte
12. Zusätzliche Barrieren gegen Freisetzungen von Radioaktivität
13. Verschiedenes

Im Ergebnis zeigt sich, dass alle deutschen Atomkraftwerke unter zahlreichen Kriterien nicht den sicherheitstechnischen Anforderungen genügen, die nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik zu stellen sind.

Der AKW-Stresstest der IPPNW im Internet:
www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/2011-05-18_AKW-Stresstest_der_IPPNW.pdf

Schweizer Atomlobby belügt die Bürger

Das schweizerische SRF meldete (Quelle) gestern, dass die Atomkraftwerke der Schweiz im Unterschied zu deutschen Atomkraftwerken sicherer bzw. sicher seien und beruft sich dabei auf die "Studie" der Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) aus dem Jahr 2003, wonach es Terroristen kaum möglich sei, ein Flugzeug gezielt in ein Reaktorgebäude zu steuern.
Die ENSI scheint Zweifel an terroristischen Talenten zu haben, obgleich die am 11.9.2001 sogar gegen das Pentagon und doppelt gegen das WTC unter Beweis gestellt wurden.

Die ENSI-Studie blufft mit absurden Wahrscheinlichkeitszahlen: "In den neueren Atomkraftwerken Gösgen und Leibstadt würde bei einem Crash eines grossen Jets «mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 1000» Radioaktivität austreten. Bei den älteren Atomkraftwerken Beznau und Mühleberg ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass Radioaktivität austrete, nämlich «1 zu 100». - Nicht etwa "1 zu 850" oder "1 zu 1300", sondern schön "glatt gerechnet" für den Simpel unter den Eidgenossen.

Und die "1 zu 1000" für AKW-Gösgen und AKW-Leibstadt jeweils oder zusammen? Spekulation darf in der Wissenschaft sein, aber wer die Formeln seiner Behauptungen nicht offenlegt, treibt bloß Propaganda.

Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Flugzeugentführer zu treffen vermag, was er möchte und dadurch die Kettenreaktion im Reaktor aus der Kontrolle gerät, liegt viel eher bei "1 zu 3", wenn nicht gar bei "1 zu 2", denn es ist eben leider erheblich leichter, ein Flugzeug aus den Wolken in ein Gebäude zu steuern als es zu starten, ordentlich zu landen oder einen Pfeil mit dem Bogen auf zehn Meter in den Apfel zu bringen.

Die ENSI-"Experten" sollen fragen, was ihre eidgenössischen Piloten dazu sagen. Und das schweizerische Fernsehen soll sich schämen, dass es solchen Müll verbreitet und nichts recherchierte.

Auf der ENSI-Webseite wird behauptet: "Die Fachleute des ENSI beobachten die Situation in Japan täglich. Sollte sich die Lage in Fukushima verändern, werden wir Sie umgehend darüber informieren."
Mit Satellitenaufklärung? Denn nicht einmal der Internationalen Atomaufsichtsbehörde IAEA wurde bislang eigene Untersuchung gestattet. Die Ensi-Fachleute können rein gar nichts über das hinaus "beobachten", was TEPCO und japanische Regierung an Infos durchsickern lassen - und stets bestrebt, Panik und Proteste zu vermeiden.
Und dann kaspern uns die ENSI-Fachleute auch noch vor, etwas "aus Fukushima gelernt" zu haben, denn so gar keine Selbstkritik wäre womöglich auch dem simpelsten Simpel verdächtig. Dass es "Mängel bei der Brennelemente-Lagerung" gebe, die selbstredend sofort beseitigt werden. Dann wäre ja alles klar bei den Eidgenossen, aber es ist glatt gelogen, wie ihre Atomkollegen in Japan. Dass die Atomlobby lügt, ist nicht bloß "Restrisiko", sondern Standard und eine Lehre aus Fukushima, wie aus jedem anderen Atombetrieb und den Strolchen, die daran weiterhin verdienen möchten, obwohl erwiesen ist, dass es niemand verantworten kann.

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Stromtarif-Dschungel ist gewollter Verbraucherbetrug

Da tut die gesamte Atomlobby so, als sorge sie sich um niedrige Stromkosten für "den Verbraucher", aber wer auf ihren Webseiten nachschaut, findet zwischen den fröhlichen Fotos und Logos die wichtigste Info nicht, wie groß die Preisspanne ist, innerhalb derer diese Wohltäter der Menschheit ihre Kundschaft grob unterschiedlich bedienen. Stattdessen reichlich "Rabatte", die näher besehen nur in die Vertragsfalle locken und mit denen es spätestens nach einem Jahr vorbei ist, denn die Anbieter spekulieren auf die Trägheit der Kunden, die sich einige leisten können und andere besser nicht.
Zum Preisvergleich braucht es eine Tabellenkalkulation mit folgenden Spalten:
KWh-Preis: ... € multipliziert mit der Schätzung des persönlichen Jahresverbrauchs auf Grundlage früherer Jahresabrechnungen: ... KWh
plus monatl.Grundgebühr: ... € multipliziert mit 12 Monaten = Jahresstromkosten.
Und immer wichtig ist die Kündigungsfrist: ... Monate
Denn "treue Kunden" werden von vielen Unternehmen für dumm gehalten und abgezockt.

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Fukushima: Zwei weitere Ortschaften werden evakuiert

Die japanische Regierung ordnete nun auch außerhalb der 20-Kilometer-Zone Evakuierungen an. Davon betroffen sind zunächst die Ortschaften Iitate und Kawamata, die in den kommenden sechs Wochen geräumt werden sollen. Unter Hinweis auf Messwerte erhöhter Radioaktivität hatte GREENPEACE schon mit Presseerklärung vom 30. März gefordert die Evakuierung von Iitate und Ausweitung der Sperrzone gefordert.
Administratives Hauptproblem dürfte die Unterbringung der Evakuierten sein, aber auch das hätte der Regierung kein Grund sein dürfen, den Menschen die radioaktive Gefährdung zu verschweigen.(msr)

Japan will vom Atomkurs weg, aber ...

Die japanische Regierung möchte "künftig mehr Gewicht auf erneuerbare Energien legen". Vor Fukushima sei geplant gewesen, den Anteil des Atomstroms von 30 Prozent auf 50 Prozent zu erhöhen. Nach Fukushima dürfte Japan die Energiewende nicht leichter fallen, denn der Super-GAU kostet schon jetzt nahezu 50 Milliarden EURO, ohne dass davon ein einziges Windrad gebaut wird. Zu späte Besinnung ist die teuerste Besinnung.

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17 Mai 2011

RSK-Bericht besiegelt Abschaltung der Alt-Reaktoren

Keine Nachrüstung gegen Flugzeugabstürze möglich
Pressemitteilung von Greenpeace.de

Nach Ansicht der unabhängigen Umweltschutzorganisation Greenpeace rechtfertigt der heute vorgelegte Bericht der Reaktorsicherheitskommission (RSK) die sofortige Stilllegung der sieben ältesten Atomkraftwerke Brunsbüttel, Unterweser, Biblis A und B, Philippsburg 1, Neckarwestheim 1, Isar 1 und des Pannenreaktors Krümmel. Diese Meiler sind nach den Ergebnissen der RSK nicht gegen Flugzeugabstürze geschützt, die dünnen Hüllen der Alt-Reaktoren würden einem Absturz nicht standhalten. Es käme zu katastrophalen Freisetzungen von Radioaktivität. Kein deutsches AKW ist laut RSK-Bericht gegen den Absturz sehr großer Flugzeuge geschützt. Daher muss der schnellstmögliche Ausstieg auch für die neueren Reaktoren gelten. Greenpeace fordert die Bundesregierung auf, die sieben ältesten Reaktoren und das AKW Krümmel sofort endgültig stillzulegen und bis zum Jahr 2015 vollständig aus der Atomkraft auszusteigen.

Jetzt muss die Bundesregierung ihre Ankündigungen der vergangenen Wochen wahrmachen. Sicherheit kennt keine Kompromisse, sagt Heinz Smital, Atomexperte von Greenpeace. Selbst die Reaktorsicherheitskommission sieht gerade bei den alten Schrottmeilern gefährliche Risiken. Fukushima hat gezeigt, welche Folgen es haben kann, solche Risiken unterzubewerten. Ein Weiterbetrieb wäre unverantwortlich.

Zwar gibt die RSK keine explizite Empfehlung für die Abschaltung von Atomkraftwerken. Dennoch ergibt sich ein klares Bild: Die sieben ältesten Meiler können nicht gegen den Absturz einer Passagiermaschine nachgerüstet werden. Die bestehenden Fundamente würden eine Verstärkung der Betonhülle nicht tragen. Seit 2001 ist dieses Problem bekannt, eine Lösung ist bis heute nicht in Sicht. Die RSK hat zudem vor allem einen theoretischen, fehlerfreien und damit stark idealisierten Zustand der Reaktoren betrachtet. Tatsächliche schwere Mängel, wie sie in den Pannenreaktoren Brunsbüttel und Krümmel auftraten, wurden ignoriert.

Station-Blackout kann jeden Reaktor treffen

Die Gefahr eines Station-Blackouts, also eines Ausfalls der Notstromversorgung, wie sie in Fukushima zur Katastrophe geführt hat, wird differenzierter betrachtet. Klar ist, auch an jedem deutschen Atomkraftwerk kann es zu einem solchen Ausfall kommen.

Ein Unfall vom Fukushima-Typ braucht weder Erdbeben noch Tsunami. Es kann jeden Reaktor treffen, so Smital. Die RSK räumte selbst einen Mangel an Zeit für die gründliche Überprüfung der deutschen Atomreaktoren ein. Verschiedene Kriterien wie der Schutz vor Terroranschlägen sollen in einem zweiten Schritt untersucht werden.

Jetzt sind die Ethik-Kommission und dann Bundeskanzlerin Merkel am Zug. Wir brauchen Klarheit und feste Abschalttermine. Wie ein Atomausstieg bis 2015 technisch und wirtschaftlich machbar ist, zeigt das Greenpeace-Energieszenario Der Plan, so Smital.

17.05.2011PDF3.7 MBBericht der Reaktorsicherheitskommission (RSK)

AKW-Brokdorf-Netzanschluss für Offshore-Windenergie nutzen

Das Atomkraftwerk Brokdorf ist praktisch nebenan zur Millionenstadt Hamburg nördlich an der Elbe-Mündung. Dieses Atomkraftwerk könnte stillgelegt werden, um den dortigen Netzanschluss für Offshore-Windenergie umzunutzen. Das AKW-Brokdorf hat nach Betreiberangaben eine Nennleistung von 1480 Megawatt, also eine enorme Netzkapazität, die weiterhin genutzt werden könnte, ohne dass Anlieger mit neuen Hochleitungen genervt würden, zumal ausschließlich die Seekabel zugeleitet werden müssen.

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AKW-Brunsbüttel-Netzanschluss für Offshore-Windenergie nutzen

Das Atomkraftwerk Brunsbüttel nördlich von Hamburg an der Elbe-Mündung ist seit Jahren vom Netz, aber nichts geschieht, um die dortige Infrastruktur für die alternative Einspeisung von Offshore-Windenergie vorzubereiten. Der Siedereaktor hatte nach Betreiberangaben eine Nennleistung von 806 Megawatt. Die von dort ausgehende Netzleistung ist also enorm und könnte weiterhin genutzt werden, ohne dass Anlieger mit neuen Hochleitungen genervt würden, zumal ausschließlich die Seekabel zugeleitet werden müssen.

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IPPNW bemängelt grobe Fehler im AKW-Stresstest

Pressemitteilung von IPPNW.de

Nach einer ersten Sichtung des AKW-Stresstests der Reaktorsicherheitskommission (RSK) vom 16. Mai 2011 moniert die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW grobe Fehler dieser Stellungnahme. „Es zeigt sich, dass die RSK die Benennung selbst offenkundiger Sicherheitsdefizite vermeiden wollte, die Insidern selbstverständlich bekannt sind“, kritisiert IPPNW-Atomexperte Henrik Paulitz. „Damit verfehlt dieses Beratungsgremium seine Aufgabe, der Politik eine sachgerechte fachliche Grundlage für die anstehenden Entscheidungen zur Verfügung zu stellen.“

Die IPPNW benennt beispielhaft folgende Ungereimtheiten:

1. Die RSK vertritt die „Auffassung“, hinsichtlich der Erdbebenauslegung bestünden „erhebliche Reserven“ und „Konservativitäten“ (S. 7). Das erstaunt vor dem Hintergrund, dass etwa die hessische Atomaufsicht für das Atomkraftwerk Biblis lediglich eine Auslegung gegen relativ schwache Erdbeben, die so genannten 50%-Fraktile, verlangt. Die Verwendung der 50%-Fraktile ist aber nach Auffassung des behördeneigenen Gutachters explizit „nicht konservativ“. Die RSK-Arbeitsgruppe Seismologie argumentierte in ihrer Stellungnahme zu dem Gutachten ebenfalls in diese Richtung. Und das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat die Stilllegung des Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich damit begründet, dass die Verwendung der 50%-Fraktile nicht konservativ ist. Die Entscheidung wurde vom Bundesverwaltungsgericht gehalten.

2. RSK behauptet, es würden für alle Anlagen Auslegungsreserven gegenüber dem nach heutigem Stand von Wissenschaft und Technik geforderten 10.000-jährlichen Hochwasser bestehen (S. 7). Das ist nachweislich falsch: Im Rahmen der Biblis-Klage der IPPNW hat RWE zugegeben, dass lediglich ein 1000-jährliches Hochwasser zugrunde gelegt wurde.

3. Die RSK behauptet, sie könne aufgrund „nicht ausreichender Angaben“ der Betreiber zu den Entladezeiten der Notstrom-Batterien nicht bewerten, ob beim so genannten „Station blackout“ (Ausfall der Drehstromversorgung) vitale Sicherheitsfunktionen über mindestens zehn Stunden erfüllt werden könnten (S. 9). Diese Aussage muss erstaunen. Jeder Fachmann weiß, dass die Entladezeiten der Batterien deutlich unter zehn Stunden liegen. In Biblis B reicht die Batteriekapazität laut RWE und TÜV nur für zwei bis drei Stunden, unter ungünstigen Umständen sogar nur für eine halbe Stunde. Die GRS zeigte im Rahmen der Deutschen Risikostudie Kernkraftwerke, dass beim Station Blackout Druckhalter-Abblaseventile nach einer gewissen Zeit nicht mehr öffnen können, „da die Batterien bereits entleert sind“.

4. Die RSK behauptet, sonstige naturbedingte Ereignisse hätten in dieser Stellungnahme nicht behandelt werden müssen, da sie „weitgehend abgedeckt“ seien (S. 8). Das ist nicht nachvollziehbar. Das Öko-Institut hat in einem Gutachten im Auftrag der Bundesatomaufsicht festgestellt, dass das Thema Robustheit gegenüber extremen Wettersituationen (Sturm, Gewitter, extreme Temperaturen, Schneefall, Vereisung, Hagel etc.) sicherheitstechnisch eine hohe Relevanz hat. In Biblis B kam es infolge eines Unwetters am 8. Februar 2004 zum gefürchteten Notstromfall, der zum Super-GAU hätte führen können. Die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) warnte schon 1992 in einer Studie vor gefährlichen Überspannungen infolge von Blitzschlag. Derartige Einwirkungen von außen werden durch die Behandlung von Flugzeugabstürzen und dergleichen nicht „abgedeckt“.

5. Die RSK tut so, als seien ihr gravierende Defizite hinsichtlich der Funktionstüchtigkeit der „anlageninternen Notfallmaßnahmen“ bei Konvoianlagen unbekannt (S. 6, 11 ff.). Die IPPNW hat wiederholt darauf hingewiesen, dass einer Studie der GRS zufolge bei Leckstörfällen (beispielsweise in Folge eines Erdbebens) die Notfallmaßnahmen gerade in den zuletzt errichteten Konvoianlagen erwartungsgemäß nicht funktionieren. Dafür scheint man sich in der RSK nicht zu interessieren.

AKW-Stresstest war nur eine „freundliche Betreiberbefragung“

Pressemitteilung von IPPNW.de

Anlässlich der heutigen Vorstellung der sogenannten AKW-Stresstests durch Bundesumweltminister Norbert Röttgen kritisiert die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW diese als „freundliche Betreiberbefragung“. „In der Öffentlichkeit besteht vielfach die Vorstellung, ein solcher Stresstest sei so ähnlich, wie wenn man mit dem Pkw beim TÜV vorfährt und Prüfer mit grimmiger Miene mit geeigneten Prüfapparaten auch noch die kleinsten Mängel herausfinden und beanstanden. Kaum jemand kann sich vorstellen, dass für diese vermeintlichen Stresstests lediglich Papier beschrieben wurde – und zwar in erster Linie von den Atomkraftwerksbetreibern selbst. Das ist so als würde man mit dem Pkw beim TÜV vorfahren und dort den Entwurf eines selbst erstellten Mängelberichts überreichen“, so IPPNW-Atomexperte Henrik Paulitz. Nach Auffassung der IPPNW genügte dieser Stresstest aus den folgenden Gründen nicht den Anforderungen einer sachgerechten Sicherheitsüberprüfung:

1. Kern der Überprüfung war ein von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) im Auftrag der Reaktorsicherheitskommission ausgearbeiteter Fragenkatalog an die Atomkraftwerksbetreiber. Die GRS gilt teilweise als kritisch, teilweise aber als sehr betreiberfreundlich und hat ein wirtschaftliches Eigeninteresse am Weiterbetrieb von Atomkraftwerken in Deutschland.

2. Die Antworten der Atomkraftwerksbetreiber wurden in kürzester Zeit von den TÜVs bewertet, die ebenfalls ein wirtschaftliches Eigeninteresse am Weiterbetrieb der deutschen Atomkraftwerke haben. Die TÜVs erwiesen sich in der Vergangenheit generell als extrem betreibernah. Mitglieder des TÜV Süd e.V. sind unter anderem die Atomkraftwerksbetreiber E.ON, Vattenfall und EnBW. Aus diesem Grund wurde 2008 im Bundesumweltministerium festgestellt: Die „große Betreibernähe der TÜVs beeinträchtigt die Qualität und Unabhängigkeit der Begutachtung“.

3. Die Reaktorsicherheitskommission, deren Mitglieder meist ebenfalls wirtschaftlich vom Weiterbetrieb zumindest einiger Atommeiler abhängig sind, hatte nur wenige Tage Zeit, sich infolge der TÜV-Stellungnahmen mit diesen und mit den Antworten der Betreiber zu befassen. Das ist ein viel zu kurzer Zeitraum, um über 17 Atomkraftwerksblöcke und viele Hundert Seiten Papier ernsthaft beraten und entscheiden zu können.

4. Der Stresstest war praktisch begrenzt auf „auslegungsüberschreitende“ Unfallabläufe wie Erdbeben, Hochwasser, wetterbedingte Folgen, Flugzeugabsturz, „Station blackout“, langandauernder Notstromfall etc. Das sind alles relevante Themen, insbesondere die in Deutschland erhebliche Erdbebengefährdung. Vom Stresstest ausgeblendet wurde allerdings der gesamte Bereich der als wahrscheinlich geltenden Unfallszenarien, die sonst bei Sicherheitsüberprüfungen von Atomkraftwerken im Vordergrund stehen.

5. Aufgrund dieser fachlich nicht nachvollziehbaren, massiven Eingrenzung des Prüfumfangs konnte und sollte dieser Stresstest die vielen gravierenden Sicherheitsdefizite deutscher Atomkraftwerke bezüglich nicht-auslegungsüberschreitender Ereignisse erst gar nicht in den Blick nehmen. Das bedeutet, dass sicherheitstechnische Anforderungen, die nach Auffassung der Aufsichtsbeamten in Bund und Ländern zu stellen wären, bei diesem Stresstest vollkommen ausgeblendet blieben. Das betrifft beispielsweise die in der so genannten „Nachrüstliste“ vom 3. September 2010 genannten Sicherheitsdefizite wie auch den vom Bundesumweltministerium erarbeiteten Anforderungskatalog vom 16. März 2011.

6. Vollkommen ausgeblendet blieb trotz Fukushima bemerkenswerterweise auch die Thematik der „Kernschmelzfestigkeit“, also die Frage, ob infolge einer Kernschmelze der Reaktordruckbehälter und das Containment eine massive Freisetzung von Radioaktivität verhindern können. Das dürfte daran liegen, dass dies definitiv das Aus für alle deutschen Atomkraftwerke bedeuten würde.

7. Selbst bei der Überprüfung der Erdbebenfestigkeit und der Robustheit gegenüber Flugzeugabstürzen muss man davon ausgehen, dass die verwendete Prüfmethodik weitgehend ungeeignet ist (vgl. Offener Brief der IPPNW an Bundeskanzlerin Angela Merkel vom 1. April 2011).