29 Januar 2009

Bundesverfassungsgericht stärkt Bürgerrechte gegenüber Atomindustrie

Von Greenpeace unterstützte Klagen gegen Castortransport sind erfolgreich
Presseerklärung von Greenpeace

Das Bundesverfassungsgericht hat heute die Rechte der Bürger gegen die Atomindustrie gestärkt. Künftig müssen Klagen von Anwohnern der Atommülltransportstrecke nach Gorleben zugelassen werden. In der Vergangenheit hatte das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg regelmäßig entsprechende Klagen mit der Begründung abgelehnt, dass das Atomrecht nicht zum Schutz der Bürger angewendet werden könne. Im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht hatte die Bundesregierung ein Zurückweisen der Klagen beantragt. Dies haben die Verfassungsrichter heute in ihrer Urteilsverkündung als Verstoß gegen die Grundrechte der Kläger gewertet.

"Endlich können sich Bürger auch rechtlich gegen die unzureichend gesicherten Atomtransporte wehren. Das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg muss künftig Streckenanwohnern die Möglichkeit zur Klage gegen die Transporte geben, sagt Thomas Breuer, Leiter der Klima- und Energieabteilung bei Greenpeace. Das Urteil ist damit auch eine schallende Ohrfeige für das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg, das mit seinen Entscheidungen die Grundrechte der Kläger verletzt hatte.

Das heutige Urteil geht auf zwei von Greenpeace unterstützte Klagen zurück. Eine Anwohnerin der Atommülltransportstrecke nach Gorleben sowie ein Anwohner der Verladestation hatten vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg geklagt. Die Klägerin wohnt in ihrem Haus acht Meter von der Strecke entfernt, der Kläger wohnt nahe der Verladestation. Beide hatten versucht, gegen ihre Gefährdung durch die strahlenden Castorbehälter und potentielle Terrorangriffe auf den Transport zu klagen.

Bereits im vergangenen Jahr wurden die Rechte von Anwohnern von Atomkraftwerken und Atomanlagen gestärkt. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte damals entschieden, dass Anwohner von Atomanlagen auch wegen der Gefahren durch Terrorangriffe klagen können.

21 Januar 2009

Atomkonzern Siemens verpasst seine Chance

IPPNW-Presseinfo 29.1.2009
Atomkonzern Siemens verpasst seine Chance
IPPNW fordert Ausstieg aus Kernenergiegeschäft

Die Siemens AG hat auf ihrer Hauptversammlung am Dienstag beschlossen, sich aus dem Atomkonzern Areva zurückziehen. Die IPPNW kritisiert, dass Siemens den Ausstieg bei Areva nicht als Chance begreift, das Kernenergiegeschäft ganz aufzugeben zugunsten der umweltfreundlichen nicht-nuklearen Energietechniken, die alle im eigenen Haus schon vorhanden sind.

„Die IPPNW und mit ihr die Mehrheit der Bevölkerung sind der Meinung, erneuerbare Energietechniken, Energieeffizienz und entsprechende Forschung und Entwicklung sind angesichts von Klimawandel und Ressourcenverknappung dringend notwendig, nicht aber Kernenergie, die lediglich 2,5% zur Endenergieversorgung der Welt beiträgt“, schreibt die IPPNW-Vorsitzende Dr. Angelika Claußen in einem Brief an den Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Siemens AG Dr. Gerhard Cromme.

„Dass man als Juniorpartner mit 34% bei den Franzosen nicht viel zu melden hat, hätte das Management schon 2001 bei der Gründung des Joint-ventures wissen müssen“, meint Henrik Paulitz, Atomenergieexperte der IPPNW. Als neuer Partner ist jetzt das russische Staatsunternehmen Atomenergoprom im Gespräch. „Was soll beim zweiten Versuch besser werden?“, fragt Paulitz. „Die Russen hätten ein westliches Vorzeigeunternehmen, Siemens aber ähnliche Probleme mit massiver Kostenexplosion und Zeitverzögerung wie jetzt beim finnischen Gemeinschaftsreaktor Olkiluoto-3. Und als Juniorpartner wieder nichts zu sagen.“

Vorstandschef Peter Löscher brüstete sich vor den Aktionären auf der Hauptversammlung mit den Worten: „Wir sind die führende Green Company auf der Welt. Siemens ist grün und Siemens wird immer grüner“. Dabei ist ihm „aber offenbar nicht aufgefallen, dass Atomenergie weder grün, noch nachhaltig und Uran endlich ist. Wenn Uran jetzt noch 70 Jahre für 438 Atomkraftwerke reichen soll, kann sich jeder ausrechnen, wann die Vorräte aufgebraucht sind, wenn weltweit weitere 400 Atomkraftwerke hinzukommen sollten, wie die Atomlobby erträumt“, so Paulitz. Ein vorausplanendes, verantwortungsbewusstes Management sollte das nach Auffassung der IPPNW berücksichtigen.

75 Staaten aus aller Welt haben am Montag in Bonn die Internationale Agentur für Erneuerbare Energie (IRENA) gegründet. Auf der Konferenz sprachen sich Regierungsvertreter aus der ganzen Welt, darunter auch viele Wirtschaftsminister, für einen weiteren, zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien aus. Selbst die Vertreter von Atomenergie-Staaten wie Frankreich und Erdöl-Exporteure aus dem arabischen Raum sowie aus Südamerika sehen in den erneuerbaren Energien die zukünftige Basis der Energieversorgung. „Von Atomenergie war auf dieser Regierungskonferenz nicht die Rede“, so Paulitz, „denn es ging um die Energieversorgung der Zukunft und da hat eine Technik aus den 1960er Jahren, die insbesondere durch Störfälle, Unfälle und Müllprobleme von sich Reden macht, keinen Platz mehr.“

Erneuerbare Energien tragen bereits 18 % zur weltweiten Gesamt- Energieversorgung der Menschheit bei. Mit Atomkraftwerken dagegen löst man weder das Energie- noch das Klimaproblem. „Es spricht nicht für unternehmerische Gestaltungskraft, weiterhin auf eine überflüssige 2,5%-Technik zu setzen“, so Paulitz. „Angesichts von Klimawandel und Ressourcenverknappung ist dies geradezu unverantwortlich.“