27 August 2010

Greenpeace fordert erhöhte Brennelementesteuer und Laufzeitverkürzung

Selbstverpflichtung ist ein fauler Deal
Hamburg, 27.08.2010, veröffentlicht von Sigrid Totz

Greenpeace lehnt eine freiwillige Selbstverpflichtung der Atomkonzerne, in Erneuerbare Energien als Gegenleistung für verlängerte Laufzeiten ihrer Reaktoren zu investieren, strikt ab. Bisherige Selbstverpflichtungen der deutschen Industrie haben sich in der Vergangenheit als weitestgehend unwirksam erwiesen. Greenpeace fordert deshalb von der Bundesregierung erneut die Einführung einer erhöhten Brennelementesteuer und eine Laufzeitverkürzung für Atomkraftwerke.

Die Atomindustrie mit der freiwilligen Förderung der Erneuerbaren zu betrauen, ist wie den Wolf zum Hirten zu machen. Wenn sich Bundeskanzlerin Merkel auf so einen faulen Deal einlässt, kommt das politisch einer Kapitulationserklärung gegenüber den Atombossen gleich, sagt Tobias Münchmeyer, Energieexperte von Greenpeace. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien schmälert die Gewinne der Atomkonzerne deutlich. Deshalb haben RWE und Co. kein echtes Interesse an Investitionen in regenerative Energien.

Die freiwilligen Selbstverpflichtungserklärungen der deutschen Industrie sind eine Abfolge von gebrochenen Versprechen. Weder wurde die Selbstverpflichtung zum Klimaschutz der Wirtschaft erfüllt, noch die Erklärung der Industrie zum Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, noch die Erklärung der Automobilwirtschaft zur Absenkung des CO2-Ausstoßes von PKW. Und die Atomindustrie zeigt aktuell mit dem Bruch des Atomkonsenses aus dem Jahr 2000, wie sie es mit der Verbindlichkeit von Absprachen hält.

Wollen wir die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland nicht gefährden, müssen wir den Ausbau der Erneuerbaren Energien beschleunigen. Dafür braucht das Land keine Selbstverpflichtung der Konzerne, sondern dafür geeignete Lenkungsinstrumente, sagt Münchmeyer. Greenpeace fordert deshalb erneut eine Verkürzung der Laufzeiten der Atomkraftwerke und eine Erhöhung der Brennelementesteuer auf 3,5 Milliarden Euro pro Jahr.

Die vier großen Stromkonzerne investieren in Deutschland weiterhin nur einen Bruchteil ihrer Gelder in Erneuerbare Energien. Ihr Kerngeschäft bleibt der Betrieb von Kohle- und Atomkraftwerken. Wind- und Sonnenenergie haben laut Untersuchungen von Greenpeace einen Anteil von weniger als zwei Prozent im Strommix der vier Atomkonzerne. Der überwiegende Anteil des regenerativen Stroms wird von unabhängigen Stadtwerken, Mittelständlern und Privatpersonen eingespeist.

Ein Atomausstieg und eine angemessene Brennelementesteuer würden die Konzerne endlich dazu zwingen, sich an den Kosten der Atomkraft zu beteiligen. Die Steuer nähme den Konzernen nur die Milliarden, die sie in den letzten Jahren durch den Emissionshandel ungerechtfertigt eingesteckt haben. Bliebe es beim gesetzlich gültigen Atomausstieg, könnten die Gelder aus der Brennelementesteuer in moderne Kraftwerkparks auf Basis von Gas und regenerativen Energien investiert werden.

26 August 2010

Greenpeace protestiert am AKW Emsland gegen Energiepolitik der Bundeskanzlerin

Merkel auf Atom-Irrweg
26.08.2010, veröffentlicht von Beate Steffens
Mit der Botschaft Atomkraft ist ein Irrweg, Frau Merkel! haben heute in den frühen Morgenstunden Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace gegen den PRO-Atomkurs der Bundesregierung protestiert. Die Umweltschützer projizierten den Spruch an den Kühlturm des Atomkraftwerkes Emsland. Sie fordern die Bundesregierung auf, die Atomkraftwerke nicht länger laufen zu lassen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) besucht heute auf ihrer Energiereise das AKW Emsland und trifft dort die Atommanager Jürgen Großmann (RWE) und Johannes Teyssen (E.ON).

Atomkraft ist keine Brücke, sondern ein Irrweg, der Deutschland in eine gefährliche energiepolitische Sackgasse führt. Eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke blockiert den nötigen Fortschritt bei Strom aus Wind und Sonne, sagt Tobias Riedl, Atom-Experte bei Greenpeace. Effiziente, flexible Gaskraftwerke sind hingegen die perfekte Ergänzung zu den Erneuerbaren Energien. Sie führen Deutschland zielgerichtet ins regenerative Zeitalter.

Eine gestern von Greenpeace vorgestellte Studie des Wuppertal Instituts belegt, Erdgaskraftwerke sind die einzige Brückentechnologie, die gebraucht wird, um gefahrlos ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien zu gelangen. Atomkraft ist als Brücke nicht geeignet, da die Reaktoren kaum regelbar sind und die Schwankungen bei der Stromerzeugung aus Wind und Sonne nicht ausgleichen können. Eine hocheffiziente Gasbrücke würde zudem den Import von Gas künftig stark reduzieren. Das Potential dieses Energieträgers kann Merkel morgen gleich neben dem AKW Emsland besichtigen. Dort besucht sie ein von RWE betriebenes Gas- und Dampfturbinenkraftwerk.

Enerieszenarien sollen Laufzeitverlängerung für AKW legitimieren

Wie Greenpeace am Montag bekannt machte, hält Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) den aktuellen Bericht an die EU-Kommission zur Energieversorgungssicherheit in Deutschland zurück. Der Bericht würde Daten liefern, die zeigen, dass eine sichere Stromversorgung auch ohne Laufzeitverlängerung gewährleistet ist. Das wäre das Aus für die Pläne der Bundesregierung, so Riedl. Gleichzeitig lässt das Wirtschaftsministerium vier künftige Energieszenarien errechnen. Allerdings wird nicht berechnet, ob Deutschland auch mit dem derzeit gültigen Atomausstieg oder mit einer Laufzeit-Verkürzung die Energiewende schaffen kann. Brüderle hat von Anfang an versucht, das Ergebnis im eigenen Sinne zu beeinflussen. Es steht für Schwarz-Gelb fest, dass es nur mit Atomkraft geht. Das setzt dem energiepolitischen Chaos von Regierung und Konzernen die Krone auf. Die Öffentlichkeit soll betrogen werden, so Riedl.

Seit Wochen versuchen die Atomkonzerne RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall mit Drohungen und Angriffen ihre Interessen durchzusetzen. Großmann und seine Kollegen spielen sich als Retter auf. In Wahrheit haben sie nur ihre Geldbeutel im Blick, so Riedl. CDU und CSU haben sich mit der Laufzeitverlängerung politisch verrannt und Atomkraft zu ihrem Markenzeichen gemacht. Frau Merkel sollte schon aus eigenem Interesse umkehren und auf das Projekt Laufzeitverlängerung verzichten.

25 August 2010

Erdgas ist die Brückentechnologie für Deutschland

Laufzeitverlängerung gefährdet zukunftsfähigen Umbau der Energieversorgung
25.08.2010, veröffentlicht von Mirja Schneemann
Erdgas ist der einzige konventionelle Energieträger, der als Brücke ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien noch gebraucht wird. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Wuppertal Instituts im Auftrag von Greenpeace. Längere Laufzeiten von Atomkraftwerken und der Neubau von Kohlekraftwerken erhöhen nicht nur das Risikopotential dieser Technologien, sie gefährden auch massiv den zukunftsfähigen Umbau der Energieversorgung in Deutschland. Greenpeace fordert von der Bundesregierung ein Energiekonzept, dass einen verstärkten Einsatz von Erdgas in Kraft-Wärme-Kopplung, eine Laufzeitverkürzung für Atomkraftwerke bis 2015 und einen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2040 vorsieht.

Wer behauptet, Atomkraft sei notwendig und unverzichtbar als Brückentechnologie, der lügt, sagt Andree Böhling, Energieexperte von Greenpeace. Gas ist der einzige Energieträger, der den Namen Brücke zu den Erneuerbaren Energien verdient. Atomkraftwerke sind nicht nur gefährlich und teuer. Sie sind auch nicht flexibel regelbar und torpedieren damit den weiteren Ausbau Erneuerbarer Energien! Atomkraft gefährdet die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland.

Die Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie zeigt, dass der von allen gesellschaftlichen Gruppen gewünschte Umbau unseres Energiesystems am besten durch einen verstärkten Einsatz von Gas bei der Stromerzeugung funktioniert. Der dafür mögliche Mehrbedarf des Brennstoffs lässt sich über Effizienzmaßnahmen im Wärmesektor gewinnen, der aktuell einen Anteil von rund 70 Prozent am Gasbedarf hat. Insgesamt sei mit einem deutlich geringeren Gesamtbedarf an Erdgas und damit einer sinkenden Abhängigkeit von Gasimporten zu rechnen.

Anders als Uran und Kohle vereint Gas eine Vielzahl von Vorteilen auf einem einzigen Energieträger. Gaskraftwerke gleichen Stromschwankungen bei erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne perfekt aus, da sie flexibel regelbar sind. Sie eignen sich hervorragend zur Kraft-Wärme-Kopplung, sind hoch effizient und verringern dadurch Brennstoffkosten und Importabhängigkeit. Die nur halb so hohen Baukosten von Gas- gegenüber Kohlekraftwerken führen dazu, dass sie auch bei geringer Auslastung wirtschaftlich arbeiten. Gleichzeitig stoßen sie nur halb so viel klimaschädliches Kohlendioxid aus. Daher setzen auch die Energieszenarien von Umweltbundesamt, Umweltministerium und dem Umweltrat (SRU) auf Erdgas als Brückentechnologie.

Die Planungen der großen Stromkonzerne gehen weiter in die falsche Richtung. Statt Neubau von über 20 Kohlekraftwerken und Laufzeitverlängerung bei Atomkraftwerken braucht Deutschland Erneuerbare Energien und neue Gaskraftwerke, die insbesondere in Kraft-Wärme-Kopplung betrieben werden. Sonst drohen enorme Fehlinvestitionen und ein Desaster beim Klimaschutz, so Böhling. Das Energiekonzept der Bundesregierung muss jetzt die Bedingungen setzen, damit Gas als Brücke optimal genutzt werden kann.

23 August 2010

Greenpeace klagt auf Veröffentlichung von Daten zur Versorgungssicherheit

Greenpeace klagt auf Veröffentlichung von Daten zur Versorgungssicherheit
Hamburg, 23.08.2010, veröffentlicht von Jan Haase
Das Bundesministerium für Wirtschaft verzögert rechtswidrig die Veröffentlichung eines Berichts an die EU-Kommission, der entscheidende Daten über die zukünftige Energieversorgung Deutschlands enthält. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace reicht deshalb heute beim Berliner Verwaltungsgericht Klage ein. Das Wirtschaftsministerium muss die Daten über die Versorgungssicherheit bei der Elektrizitätsversorgung nach dem Energiewirtschaftsgesetz umgehend veröffentlichen. Aus dem Bericht lässt sich ableiten, ob die zukünftige Stromversorgung Deutschlands auch ohne Laufzeitverlängerungen bei Atomkraftwerken gesichert ist.

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle bricht deutsches Recht, nur um zu vertuschen, dass wir die Atomkraft in Deutschland nicht mehr brauchen. Schon der letzte Monitoring-Bericht aus dem Jahr 2008 kommt zu dem Schluss, dass die Versorgungssicherheit auch bei einem Atomausstieg bis 2020 gewährleistet ist, sagt Tobias Münchmeyer, Energieexperte bei Greenpeace. Der überfällige Bericht von 2010 wird diese Aussage noch deutlicher unterstreichen. Ihn zurückzuhalten kann in der aktuellen Debatte nur heißen, dass dadurch die überflüssige Atomkraft geschützt werden soll. Wir reichen deshalb heute eine Verpflichtungsklage zum Gesetzesvollzug gegen das Bundeswirtschaftsministerium ein.

Im Bericht von 2010 müssten die Rahmenbedingungen für einen Atomausstieg noch deutlicher sichtbar sein, als im Vorbericht 2008. So ist zum einen der Strombedarf durch die Wirtschaftskrise zurückgegangen. Gleichzeitig liegt die aktuelle Schätzung des Beitrags der Erneuerbaren Energien zur Stromversorgung im Jahr 2020 mit 38,6 Prozent gegenüber 2008 um 15 Prozentpunkte höher.

Das Wirtschaftsministerium ist nach §63 Abs. 1 EnWG strikt dazu verpflichtet, alle 24 Monate bis spätestens zum 31. Juli des entsprechenden Jahres fristgerecht einen Bericht über die bei dem Monitoring der Versorgungssicherheit nach § 51 EnWG im Bereich der leitungsgebundenen Elektrizitätsversorgung gewonnenen Erkenntnisse zu veröffentlichen und diesen unverzüglich an die Europäische Kommission zu übermitteln. Die gegenwärtige Säumnis des Ministeriums gilt daher als Amtspflichtverletzung.

Die Bundesregierung will Ende September ein langfristiges Energiekonzept beschließen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat hierfür mehrere Institute mit der Erstellung von vier Energieszenarien beauftragt. Die Rahmenbedingungen für die Berechnungen wurden vom Wirtschaftministerium vorgegeben und laut Medienberichten so gewählt, dass die Versorgungssicherheit als gefährdet erscheint und dadurch lange Laufzeiten der Atommeiler begründet werden können. Die Daten des jetzt zurückgehaltenen Monitoringberichts würden die Ergebnisse der Energieszenarien konterkarieren.

19 August 2010

Greenpeace demonstriert in Leipzig für eine Brennelementesteuer

Atomkonzerne zocken Deutschland ab
19.08.2010, veröffentlicht von Lena Weitz
Die Atomkonzerne müssen über eine Brennelementesteuer künftig an den Folgekosten der Atomenergie beteiligt werden. Das fordert Greenpeace heute von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Besuch der Leipziger Strombörse EEX. Vor dem Gebäude demonstrieren 20 Greenpeace-Aktivisten mit Transparenten. Eine Brennelementesteuer in Höhe von 2,5 Cent pro Kilowattstunde ist bis zur Abschaltung der letzten Reaktoren 2015 notwendig, damit Kosten, wie für die Sanierung des Atommüllendlagers Asse, nicht ausschließlich vom Steuerzahler getragen werden.

Noch im Juni hatte die Bundeskanzlerin öffentlich versichert, dass eine Brennelementesteuer unabhängig von der Debatte um neue Laufzeiten eingeführt werden soll. Am ersten Tag ihrer Energiereise rückte Merkel davon ab, ihr Umweltminister Norbert Röttgen will die Entscheidung darüber verschieben, was einem Etappensieg der Atomkonzerne gleichkäme.

Sollte Merkel die Brennelementesteuer fallenlassen, wäre das ein einzigartiger Kniefall der Bundeskanzlerin vor der Atomindustrie, sagt Tobias Münchmeyer, Greenpeace-Atomexperte. E.ON, RWE und Co. wollen sich die Laufzeitverlängerung in Geheimverhandlungen einfach kaufen und locken die Bundesregierung mit einem 30-Milliarden-Euro-Angebot. Gleichzeitig drohen die vier Atomkonzerne mit Abschaltung ihrer Kraftwerke, wenn sich die Kanzlerin nicht auf ihren Knebelvertrag einlässt. Solch einen schmutzigen Deal muss Merkel ablehnen. Die Kanzlerin muss jetzt klare Kante zeigen und die Geheimverhandlungen sofort abbrechen.

Atomwirtschaft muss an Folgekosten beteiligt werden

An der Leipziger Strombörse EEX erzielen die Atomkonzerne laut Analyse des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) pro Jahr ungerechtfertigte Gewinnmitnahmen in Höhe von fünf bis sechs Milliarden Euro - so genannte Windfall Profits. In diesem Umfang profitieren die Atomkonzerne vom Anstieg der Strompreise durch den Handel mit Emissionsrechten. Das System Börse versagt aber grundsätzlich beim Einpreisen der Folgekosten der Atomstromerzeugung, die nach FÖS-Berechnungen in Deutschland bisher 165 Milliarden Euro betragen. Mit der Brennelementesteuer würden die Unternehmen erstmals an diesen Kosten beteiligt werden. Greenpeace fordert eine Steuer von 2,5 Cent pro Kilowattstunde statt der bisher geplanten 1,5 Cent der Regierung. Das brächte dem Staat Einnahmen von jährlich rund 3,5 Milliarden Euro statt wie geplant 2,3 Milliarden.

Die Strombörse Leipzig ist ein Tatort für die große Abzocke durch die Atomkonzerne. Sie machen Milliardengewinne und wälzen gleichzeitig ihre milliardenschweren Folgekosten auf den Steuerzahler ab. Diese Gewinnmitnahmen müssen endlich durch eine Brennelementesteuer abgeschöpft werden. Bundesfinanzminister Schäuble hat recht, wenn er die Steuer zur Finanzierung der Sanierung der maroden Atommüll-Endlager Asse und Morsleben fordert, so Münchmeyer.

15 August 2010

Greenpeace belegt: Atomkraftwerke abschalten führt nicht zur Stromlücke

Es werde Licht - auch ohne Atomkraft
15.08.2010, veröffentlicht von Beate Steffens
Die Stromversorger können ihre Ankündigung umsetzen und die acht ältesten deutschen Atomkraftwerke sofort stilllegen, ohne dass dies zu Engpässen in der Stromversorgung in Deutschland führt. Dies belegt eine neue Berechnung der Umweltorganisation Greenpeace, der zufolge die sieben Alt-AKW Biblis A und B, Brunsbüttel, Neckarwestheim 1, Isar 1, Philippsburg 1 und Unterweser, sowie der Pannenreaktor Krümmel aktuell nur noch zu 5,4 Prozent zur deutschen Stromversorgung beitragen. Die übrigen neun Atommeiler könnten bis zum Jahr 2015 abgeschaltet werden. Das zeigt das vom Aachener Institut EUtech für Greenpeace berechnete Energie-Szenario Plan B 2050.

Die Stromkonzerne hatten laut dem Magazin Der Spiegel (Montagsausgabe) angekündigt, ihre Atom-Meiler sofort abschalten zu wollen, falls die von der Bundesregierung geplante Brennelementesteuer komme.

Das ist keine Drohung, sondern eine gute Nachricht, sagt Tobias Münchmeyer, Greenpeace-Atomexperte. Mit ihrer Ankündigung haben die Stromversorger zugegeben, dass die maroden deutschen Atomkraftwerke zur Deckung der Stromversorgung nicht benötigt werden. Greenpeace fordert die Stromkonzerne auf, die acht gefährlichsten Atomkraftwerke sofort abzuschalten.

Das Energie-Szenario Plan B 2050 zeigt wie Deutschland bis zum Jahr 2050 bei beschleunigtem Atomausstieg bis 2015 und einem nachfolgenden Kohleausstieg bis 2035 oder 2040 nahezu klimaneutral werden kann und gleichzeitig die Versorgung gesichert und die Stromkosten gesenkt werden können.

Die Stromproduktion der ältesten sieben Atomkraftwerke, sowie des Pannenreaktors Krümmel ging im Jahr 2009 im Vergleich zu 2008 von über 48 Terawattstunden (TWh) auf knapp 32 TWh drastisch zurück. Der Anteil der Erneuerbaren Energien hat hingegen rapide zugenommen. Allein die Windanlagen produzierten 2009 37 TWh Strom. Dies entspricht einem Anteil von 6,5 Prozent. Insgesamt tragen die Erneuerbaren Energien bereits mit über 16 Prozent zur Stromproduktion bei. Zudem hat Deutschland 2009 14,3 TWh Strom ins Ausland exportiert.

Wer Deutschland zukunftsfähig machen will, muss konsequent auf Erneuerbare Energien setzen. Eine Laufzeitverlängerung für Atommeiler würde den notwendigen Ausbau der Erneuerbaren blockieren. Das wäre Gift für diesen boomenden Wirtschaftszweig. Wenn die Bundesregierung jedoch weiter auf Atomkraft setzt, schadet sie damit Deutschland, sagt Münchmeyer.

12 August 2010

Waldbrände in Russland können zu schweren Atomunfällen führen

12.08.2010, veröffentlicht von Beate Steffens
Fällt durch die andauernden Flächenbrände die Stromversorgung russischer Atomkraftwerke aus, kann es in den Anlagen zu nicht mehr beherrschbaren Notfallsituationen kommen. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace warnt davor, dass zerstörte Hochspannungsleitungen und durch Rauch und Hitze versagende Notstromgeneratoren zum Ausfall der notwendigen Kühlung der Reaktoren führen können. Greenpeace fordert die russische Regierung auf, die bedrohten Atomreaktoren umgehend herunterzufahren und die Öffentlichkeit umfassend über die Sicherheitslage der betroffenen Anlagen zu informieren.

Die russischen Krisenregionen sind ein nukleares Pulverfass, das sofort unter Kontrolle gebracht werden muss, sagt Heinz Smital, Atomexperte bei Greenpeace. Die Atomanlagen müssen unter allen Umständen geschützt werden. Die russische Regierung muss auch technische Hilfe aus dem Ausland anfordern. Es ist unglaublich, dass den Menschen in Russland und den Nachbarländern Informationen über die Situation vorenthalten werden und nur scheibchenweise weitergegeben werden.

Die großflächigen Feuer in Russland gefährden Atomanlagen direkt und indirekt. Fällt zum Beispiel die externe Stromversorgung durch die Beschädigung einer Hochspannungsleitung aus, muss die Notstromversorgung anspringen, um den Reaktorkern zu kühlen. Fallen auch diese Dieselgeneratoren wegen Überhitzung oder starkem Rauch aus oder springen erst gar nicht an, kann es zu einer Kernschmelze kommen. Dasselbe gilt für den Ausfall der Kühlsysteme von Plutoniumtanks, wie sie in der Wiederaufbereitungsanlage Majak stehen. Dort würde es zu keiner Kernschmelze kommen, sondern zu einer Explosion, die große Teile Russlands verseuchen würde.

Zwar beendet das Abschalten eines Reaktors die nukleare Kettenreaktion, die Gefahr einer Kernschmelze ist damit aber nicht gebannt. Der Reaktorkern muss dauerhaft gekühlt werden, um die Abwärme durch den radioaktiven Zerfall abzuleiten, so Smital.

Besonders gefährdet sind die zwölf Atomkraftwerke an den Standorten Kalinskaya, Balakovskaya, Rostovskaya und Novovoronezhskaya, sowie die Atomanlagen von Sarow und Majak. Das russische Atomunternehmen Rosatom meldet heute, dass nur 300 Meter entfernt vom militärischen Nuklearkomplex Sarow ein 14 Quadratkilometer großes Waldstück brennt. Die Lage hat sich sehr stark verkompliziert, schreibt Rosatom in einem Papier, das Greenpeace vorliegt. In Majak befindet sich ein Plutoniumtank, der dauerhaft gekühlt werden muss. Es gibt Hinweise, dass vor wenigen Tagen im Reaktor 3 in Novovoronezhskaya ein Transformator durch die Hitzewelle beschädigt wurde und der Reaktor abgeschaltet werden musste. Durch den Vorfall sei nach Behördenangaben keine Radioaktivität freigesetzt worden.

Im Falle eines schweren nuklearen Unfalls in der Krisenregion kann nicht ausgeschlossen werden, dass es auch in Deutschland zu radioaktiver Kontamination kommt. Im Interesse der deutschen Bevölkerung muss Bundeskanzlerin Merkel eine transparente und glaubhafte Informationspolitik von der russischen Regierung einfordern und zugleich umfangreiche und schnelle Hilfe im Kampf gegen die Flammen anbieten, sagt Smital.