09 August 2006

Genaue Ursache für Beinahe-Gau in Schweden weiterhin unklar

AKW-Bundesländer und Vattenfall gaben falsche Entwarnung - Angekündigte BMU-Untersuchung dringend notwendig
Hamburg, 09.08.2006, veröffentlicht von Greenpeace Redaktion

Die Ursache für den Störfall in dem schwedischen Atomkraftwerk Forsmark ist auch nach zwei Wochen weiterhin unklar. Der entscheidene Bericht über den Hergang des Störfalls, den die schwedische Atomaufsichtsbehörde (SKI) vom Betreiber Vattenfall gefordert hat, liegt der SKI noch nicht vor. Greenpeace hält deshalb die Äußerungen der unionsgeführten Bundesländer, ein solcher Störfall könnte hier in Deutschland nicht passieren, für falsch.

Zudem verweist die Umweltschutzorganisation auf einen im Mai von der Internationalen Atomenergie Behörde (IAEO) veröffentlichten Bericht. Darin wird für alle Atomkraftwerke vor den Folgen eines Ausfalls der unterbrechungsfreien Stromversorgung gewarnt und besonders auf die Gefahr des Ausfalls der Instrumente und den Verlust der Kontrolle hingewiesen.

Wer die genaue Ursache noch nicht kennt, kann und darf einen ähnlichen Verlauf für andere Atomkraftwerke auch nicht aussschließen, erklärt Heinz Smital, Atomexperte bei Greenpeace. Die Äußerungen der einzelnen Umweltminster klingen nach Beschwichtigung und basieren nicht auf einer genauen Untersuchung der Ursachen. Die Ankündigung des Bundesumweltministers, die Ursachen weiter prüfen zu lassen, ist deshalb absolut notwendig.

Die unionsgeführten Länder Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern äußerten sich in ihren Berichten überzeugt, die zur Reaktorkühlung nötige Stromversorgungstechnik deutscher Kernkraftwerke sei anders als in Forsmark sicher. Ähnliche Störfälle seien nicht zu erwarten. Dabei verwiesen sie auf die in deutschen Atomkraftwerke angeblich nicht vorhandenen Wechselrichter, die in der schwedischen Anlage ohne Zweifel Teil des Problems waren. Dem widersprechen wir. Jedes Atomkraftwerk hat auch Wechselrichter, sagt Heinz Smital.

06 August 2006

Experte:Schwedisches Kernkraftwerk kurz vor Kernschmelze abgeschaltet

Forsmark (Schweden), 06.08.2006 – Das schwedische Kernkraftwerk Forsmark stand am 25. Juli 2006 nach Aussage von Lars-Olov Höglund vor einer Kernschmelze. Lars-Olov Höglund war langjähriger Chef der Konstruktionsabteilung des schwedischen Vattenfall-Konzerns.

Bei Arbeiten im Kraftwerk entstand ein Kurzschluss, worauf das Kraftwerk vom Stromnetz getrennt wurde. Durch diesen Netzkurzschluss wurde offenbar auch die Notstromversorgung beschädigt. Von allein sprang keiner der Notstromgeneratoren an, so dass es Probleme mit der Notkühlung gab, die ohne Strom nicht funktioniert, nach einiger Zeit konnten allerdings zwei Notstromgeneratoren gestartet werden. Wäre dies nicht doch noch gelungen, wäre nach Auffassung Höglunds nur wenige Minuten später eine Kernschmelze nicht mehr zu verhindern gewesen. Eine Kernschmelze kann zur Bildung einer kritischen Masse und damit zu Strahlungsaustritt aus dem Kraftwerk führen.

Lars-Olov Höglund, der für das Atomkraftwerk in Forsmark zuständig war und den entsprechenden Reaktor gut kennt, wird in der Taz folgendermaßen zitiert: „Das ist die gefährlichste Geschichte seit Harrisburg und Tschernobyl.“

Mehrere Reaktoren sind in Schweden jetzt abgeschaltet worden, um sie einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen. Offiziell wurde der Vorfall auf der International Nuclear Event Scale mit Stufe 2 (Störfall) eingestuft. +wikinews+

04 August 2006

Atomunfall in Schweden zeigt: Atomkraftwerke sind ständiges Versorgungsrisiko

CDU/CSU soll ihren Atomkurs aufgeben
04.08.2006, veröffentlicht von Beate Steffens

Die Umweltorganisation Greenpeace fordert angesichts des schweren Störfalls im schwedischen Atomkraftwerk die CDU/CSU auf, sich endlich von ihrem Atomkurs zu verabschieden. Die Probleme dort zeigen, dass Atomkraft eine Gefahr für den Menschen darstellt. Zudem ist sie ein Risiko für die Stromversorgung.
Atomkraftwerke sind nur sicher, wenn sie abgeschaltet sind, sagt Heinz Smital, Atomexperte von Greenpeace. Es hat nicht viel gefehlt, und es wäre in Schweden zu einer Kernschmelze gekommen. Da müssen doch selbst die Damen und Herren von CDU und CSU einsehen, dass der Atomausstieg keine Forderung ideologischer Atomkraftgegner ist, sondern ein Gebot der Vernunft.

Der Zwischenfall belegt auch, dass Atomkraft kein Standbein für eine sichere Stromversorgung sein kann. Die Ereignisse der letzten Tage haben gezeigt, dass Atomkraft ein Versorgungsrisiko darstellt. Es ist wichtig, in Deutschland die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Mit Großkraftwerken, die wegen Hitze, technischer Mängel oder Störfällen vom Netz genommen werden müssen - in Schweden immerhin vier der zehn Atomkraftwerke auf einmal - geht das aber nicht.

Den deutschen Kraftwerksbetreibern und den Energieversorgungsunternehmen Eon, Vattenfall EnbW und RWE wirft Greenpeace vor, den Vorgang zu verharmlosen, ohne die genauen Hintergründe des Zwischenfalls im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark zu kennen. Nicht einmal die vorbildlich arbeitende schwedische Atomaufsichtsbehörde kann schon genau sagen, wie und warum es in Forsmark zu dem schweren Zwischenfall kam. Wie können die deutschen Kraftwerksbetreiber da einen gleichen Unfall in Deutschland bereits ausschließen?

Zum deutschen Atomforum, das sagt, dass es keinerlei Anhaltspunkte für eine Übertragbarkeit gäbe, erklärt Smital: Die Tatsache, dass sich die Notstromversorgungssysteme in deutschen AKWs nicht zu 100 Prozent mit denen in Forsmark decken, heißt noch lange nicht, dass das Problem nicht auch hier auftreten könnte. Erst nach Abschluss einer genauen Untersuchung und Ursachenklärung kann sich zeigen, ob ähnliche Schwachstellen auch in den ähnlichen Notstromsystemen in Deutschland existieren.

Greenpeace fordert den Ausstieg aus der Atomkraft. Nur Erneuerbare Energien und steigende Effizienz sowie Energieeinsparung können die Energieversorgung der Zukunft sicher und umweltgerecht gewährleisten.

Drei Zwischenfälle im Kernkraftwerk Temlin in einer Woche

Temelín (Tschechien), 04.08.2006 – Mehrere tausend Liter verstrahlten Wassers traten am Mittwochnachmittag aus der Kühlleitung des Kernkraftwerks Temelín in Tschechien aus und flossen in Spezialtanks. Nach Aussage des österreichischen Umweltministeriums entstand keine Gefahr für Österreich. Österreich besitzt ein eigenes Frühwarnsystem in der Nähe der tschechischen Anlage. Ein Sprecher des Kernkraftwerks erklärte, es sei keine Radioaktivität in die Umwelt gelangt. Der Vorfall ereignete sich, nachdem dieser Block des Kraftwerks nach einer Reparatur wieder ans Netz angeschlossen worden war. Die Abschaltung war wegen der Reparatur einer undichten Ölleitung in der Turbine notwendig geworden. +wikinews+

03 August 2006

Nach Geisterbetrieb schaltet Schweden vier Atomkraftwerke ab

Auch in Deutschland müssen Notstromsysteme geprüft werden
Hamburg, 03.08.2006, veröffentlicht von Greenpeace Redaktion

Greenpeace schätzt den Störfall in dem schwedischen Atomkraftwerk Forsmark als schwerwiegend ein und begrüßt das Vorgehen der Staatlichen Kernkraftinspektion in Schweden (SKI), die vier bauähnlichen Atomkraftwerke sofort vom Netz zu nehmen. Ein früherer Direktor der SKI hat gestern selbst davon gesprochen, dass es nur mit purem Glück nicht zu einer Kernschmelze gekommen ist.

Das Atomkraftwerk ist durch den Störfall fast zwanzig Minuten lang im Geisterbetrieb gefahren, bis die Belegschaft den Betrieb des Kraftwerks manuell wieder in den Griff bekam, erklärt Heinz Smital, Atomexperte bei Greenpeace. Als Reaktion auf den Störfall fordert Greenpeace die Überprüfung der Notstromversorgung der deutschen Atomkraftwerke.

Bei einem Stromausfall im AKW Forsmark versagte letzte Woche die Notstromversorgung. Vier starke Batterien hätten in einem solchen Fall von vier Dieselgeneratoren gespeist werden müssen und die Steuerzentrale des AKWs versorgen sollen. In Forsmark haben zwei dieser vier Stromsysteme nicht funktioniert, so dass für einen Zeitraum von zwanzig Minuten die elektronische Überwachung des Reaktors ausgefallen war. Erst danach gelang es der Belegschaft, die Notstromversorgung wieder komplett in Gang zu setzten.

So etwas darf in einem Atomkraftwerk nicht passieren, sagt Smital. Probleme dieses speziellen Notstromsystems von AEG sind seit langem bekannt. In Deutschland gab es am 3. März 2004 im AKW Isar 2 eine kurzfristige Unterbrechung der Notstromversorgung.

Smital: Auch in Deutschland gibt es Atomkraftwerke mit diesem Typ von Notstromsystem. Wir nehmen zwar an, dass hierzulande nach dem Vorfall 2004 Nachrüstungen erfolgt sind, die man in Schweden unterlassen hat. Trotzdem muss die deutsche Atomaufsichtsbehörde umgehend klären, ob eine ähnliche Gefahr bei den hiesigen Atomkraftwerken droht.