30 Mai 2003

Karlspreis für Atom-Lobbyisten - Umweltverbände kritisieren Auszeichnung von Valéry Giscard d’Estaing

Umweltverbände kritisieren anlässlich der Verleihung des Internationalen Karlspreises der Stadt Aachen an Valéry Giscard d’Estaing dessen Interessenpolitik im europäischen Konvent. Der Präsident des Konvents vertrete einseitig die Interessen der Atom-Lobby und wolle die Förderung der Atomkraft in der neuen EU-Verfassung verankern.

Britta Steffenhagen, Energieexpertin des DNR: „Mit seinen Atom-Plänen stellt sich Giscard d’Estaing gegen den Willen der Mehrheit der EU-Bürger und zementiert eine rückwärtsgewandte Technologie. Und dies in einer Verfassung, die zukunftsweisend für alle EU-Bürger gelten soll".

Die Mehrheit der derzeitigen EU-Mitgliedstaaten wollen aus der risikoreichen Atomenergie aussteigen oder kommen bereits ohne sie aus. Auch Deutschland und sein Nachbarland Belgien haben Ausstiegsbeschlüsse gefasst. Nur Frankreich, Finnland, Spanien und England halten die Atomenergie noch für förderungswürdig. Der Vorschlag von Giscard d’Estaing sieht vor, den europäischen Vertrag zur Förderung der Atomkraft (EURATOM) in die neue EU-Verfassung unverändert aufzunehmen. EURATOM wurde vor 45 Jahren als einer der Gründungsverträge der späteren EU verabschiedet und ist seit dem nicht überarbeitet worden. Er unterliegt weder parlamentarischer Kontrolle noch den europäischen Binnenmarktregeln.

Jan Kowalzik, EU-Experte des BUND: „Giscard d’Estaing hält an seinen Atom-Plänen fest, obwohl sich bereits verschiedene Konventsmitglieder dagegen ausgesprochen haben. Auch in anderen Fragen des Verfassungsprozesses hat er versucht, demokratische Meinungsbildung zu unterbinden. Die Geschäftsordnung wollte er alleine festlegen, Arbeitsgruppen hielt er für überflüssig. Zurecht wird er deshalb im Konvent auch „Sonnenkönig" genannt".

Die Umweltverbände fordern, dass die ökonomische Privilegierung der Atomenergie abgeschafft wird und der EURATOM-Vertrag spätestens im Jahre 2007 ausläuft.

Europa solle sich in seiner Verfassung für eine zukunftsfähige Energiepolitik mit rationeller Energienutzung und erneuerbaren Energien entscheiden.

Bereits vor drei Wochen riefen die Umweltverbände dazu auf, mit E-Mails an die deutschen Mitglieder des Verfassungskonvents gegen die Förderung der Atomkraft zu protestieren, bisher haben sich rund 2000 Menschen an der Aktion beteiligt. In Aachen wollen sie Giscard d’Estaing als Zeichen ihres Protests ein goldenes Mini-AKW übergeben.

Getragen wird die Protest-Aktion vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), Deutscher Naturschutzring (DNR), Germanwatch, Greenpeace, GRÜNE LIGA, Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), Naturschutzbund Deutschland (NABU), ROBIN WOOD, urgewald.

19 Mai 2003

FALSCHER WEG: "Industriestrom ist billiger geworden"

Dieses Thema wiederholt sich. Die Wettbewerbsfähigkeit der dt. Industrie sollte zugunsten der Energiewende nicht durch rabattierten Atomstrom für Großverbraucher erfolgen, sondern wäre sinnvoller durch Steuernachlässe zu gewährleisten. (Redaktion, msr)

----------------

Studie zur Belastung stromintensiver Betriebe durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz vorgelegt
Pressemitteilung BMU.de


Industriestrom ist heute fast ein Drittel billiger als noch Mitte der Neunziger Jahre, trotz Erneuerbare-Energien-Gesetz und Ökosteuer. Das ist das Ergebnis einer Studie des Instituts für ZukunftsEnergieSysteme (IZES), Saarbrücken, das im Auftrag des Bundesumweltministeriums die Belastung der stromintensiven Industrie durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) untersucht hat. Demnach hat der Umbau der Energieversorgung, weg von der Kohle und Atom, hin zu Sonne, Wind und Biomasse, den bundesdeutschen Durchschnittshaushalt im letzten Jahr (2002) nur einen Euro pro Monat gekostet. Eine besondere Subventionierung stromintensiver Betriebe durch Haushalte und kleine Unternehmen sei nicht gerechtfertigt. Netzbetreiber kassieren in Einzelfällen bis zum Doppelten des tatsächlich gerechtfertigten EEG-Aufschlages, so das Gutachten.

Die Großabnehmerpreise für Industriestrom in der Bundesrepublik sind zwischen 1995 und 2002 von rund 7,6 Cent pro Kilowattstunde auf rund 5,3 Cent gefallen. Diesem Rückgang um rund 30 Prozent steht ein EU-weiter Rückgang um nur 9 Prozent gegenüber. In den USA ist Industriestrom zwischen 1996 und 2002 sogar um 7 Prozent teurer geworden. Die Wettbewerbsposition Deutschlands hat sich also trotz Ökosteuer und EEG verbessert, so die Studie. Die Forscher errechneten, dass jedem Euro Belastung durch die von der rot-grünen Bundesregierung eingeleitete Energiewende rund acht Euro Entlastung infolge der Liberalisierung des Strommarktes und den Wegfall des Kohlepfennigs gegenüber stehen.

Das IZES ermittelte ein weiteres Entlastungspotential von rund einem Cent pro Kilowattstunde Industriestrom. Vor diesem Hintergrund erscheint den Gutachtern eine weitere Entlastung der stromintensiven Industrie nicht notwendig. Eine Entlastung käme allenfalls dann in Frage, wenn es sich um einzelne, besonders stromintensive Unternehmen des produzierenden Gewerbes handelt, die als Härtefall eingestuft werden können.

In der Praxis verlangen Stromnetzbetreiber von ihren Industriekunden derzeit nach Erkenntnissen der IZES-Forscher als EEG-Kostenaufschlag in Einzelfällen bis zu 0,66 Cent pro Kilowattstunde. Mit einem marktwirtschaftlichen Ansatz zu Errechnung eines fairen EEG-Aufschlages ermittelt das IZES demgegenüber einen anrechenbaren EEG-Zuschlag von allenfalls rund 0,31 Cent pro Kilowattstunde für das Jahr 2002, die volkswirtschaftlichen EEG-Mehrkosten betragen sogar nur 0,29 Cent pro Kilowattstunde.

Forderungen, die individuelle Belastung der Strom-Großverbraucher zu "deckeln", also eine Obergrenze des EEG-Zuschlags für stromintensive Betriebe gesetzlich zu definieren, erteilen die Gutachter eine klare Absage. Da sich dadurch der umzulegende Gesamtbetrag nicht verändere, bedeutet dies eine zusätzliche Belastung für kleine und mittlere Unternehmen sowie für private Haushalte.

Die Forscher haben Forderungen von Verbänden der Großindustrie, Stromkunden ab einem Jahresbedarf von 100.000 Kilowattstunden praktisch vollständig von den EEG-bedingten Kosten zu entlasten, für das Berechnungsjahr 2002 unter die Lupe genommen. In diesem Fall würden beispielsweise Industrie- und Gewerbekunden, die mit einem Jahresstromverbrauch von 80.000 Kilowattstunden die Grenze nicht ganz erreichen, die jährliche EEG-Zusatzbelastung um zwei Drittel erhöhen. Für private Kunden und Haushalte würde die Zusatzbelastung von 12 Euro auf 20 Euro ansteigen. Eine pauschale Minderung des EEG-Kostenanteils für Industriebetriebe nach diesem Modell wäre wohl kaum mit den Interessen aller Stromverbraucher vereinbar, so das Fazit der Gutachter.

09 Mai 2003

Deutsch-russische Zusammenarbeit zur Sicherheit von Atomanlagen wird ausgebaut

Pressemitteilung BMU.de

Deutschland und Russland wollen ihre Zusammenarbeit im Bereich der nuklearen Anlagensicherheit und des Strahlenschutzes ausbauen. Ein entsprechendes Abkommen unterzeichneten heute Bundesumweltminister Jürgen Trittin und der Vorsitzende der russischen atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtbehörde, Wischnewski. Ziel ist es, das Sicherheitsniveau der Atomanlagen zu erhöhen und somit den Schutz der Umwelt und Bevölkerung zu verbessern.

Bundesumweltminister Trittin: "Beide Länder verfolgen unterschiedliche Ziele bei der Nutzung der Atomenergie. Deutschland hat den Atomausstieg gesetzlich festgeschrieben, Russland will weiterhin auf Atomkraft setzen. Unabhängig davon ist eine engere Zusammenarbeit notwendig und sinnvoll, da schwierige Aufgaben bei der Gewährleistung der Sicherheit insbesondere älterer Anlagen sowie bei der Entsorgung radioaktiver Abfälle und Altlasten vor uns liegen. Die heute geschlossene Vereinbarung baut auf die bewährte Kooperation der vergangenen Jahre auf."

Mit dem neuen Abkommen soll der Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen den beiden obersten atomrechtlichen Behörden beider Länder verbessert werden. Die Zusammenarbeit bezieht sich auf die Bereiche Genehmigung, Aufsicht und Begutachtung der nuklearen Sicherheit von kerntechnischen Anlagen sowie auf den Strahlenschutz. Im Bereich der weiteren wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit sind u.a. gemeinsame Projekte zur Nachrüstung bestehender Anlagen sowie zu Analyse und Auswertung von Störfällen geplant.

Grundlage der deutsch-russischen Zusammenarbeit im Bereich Atomenergienutzung sind u.a. das Abkommen über die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit von 1987, das Regierungsabkommen zur Zusammenarbeit auf dem Gebiet der kerntechnischen Sicherheit und des Strahlenschutzes von 1988, die Vereinbarung zwischen dem Bundesumweltministerium und der russischen Atomaufsichtsbehörde zur Gewährleistung des physischen Schutzes von 1997 sowie das Regierungsabkommen von 1998 über Fragen der nuklearen Haftung.