24 August 2009

AKW Krümmel: Hamburg bei Reaktorunfall bedroht

Greenpeace-Berechnungen: Flugzeugabsturz würde Katastrophe auslösen
Pressemitteilung von Greenpeace.de

Bei einem schweren Reaktorunfall im Atomkraftwerk Krümmel bei Geesthacht müsste das Hamburger Stadtgebiet innerhalb von drei Stunden evakuiert werden. Neue Ausbreitungsrechnungen im Auftrag von Greenpeace belegen, dass die Hamburger Bevölkerung danach einer für sie tödlichen Dosis Radioaktivität aus dem Reaktor ausgesetzt wäre. Unmittelbar durch einen solchen schweren Reaktorunfall gefährdet wäre auch die Bevölkerung in Teilen von Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Ein Super-GAU könnte durch einen Flugzeugabsturz oder einen Terroranschlag aus der Luft ausgelöst werden. Greenpeace fordert die endgültige Stilllegung des Atomkraftwerks Krümmel.

"Die Bevölkerung ist einem tödlichen Risiko ausgesetzt, das von der Atomaufsicht seit Jahren bewusst oder fahrlässig unterschätzt wird, sagt Heinz Smital, Atomexperte von Greenpeace. Die Aufsichtsbehörden kennen zwar die Gefahr, doch sie handeln nicht. Die Dosis käme über die Luft und würde auch in geschlossenen Räumen aufgenommen. Die radioaktive Kontamination Tausender Anwohner würde bereits innerhalb weniger Stunden den behördlichen Grenzwert für eine Evakuierung um mehr als das Hundertfache überschreiten.

Greenpeace liegen interne Dokumente unter anderem des Bundeskriminalamtes vor, nach denen deutsche Sicherheitsbehörden das Risiko eines Terroranschlags aus der Luft auf ein Atomkraftwerk nicht mehr ausschließen. Gleichzeitig ist die bisherige Abwehrtaktik, das AKW im Falle eines Angriffs zu vernebeln, gescheitert. Im Vernebelungskonzept sieht selbst das Bundesumweltministerium ...keine wesentliche Verbesserung der Sicherheit der Kernkraftwerke... (Protokollentwurf Bund-Länder Fachgespräch vom 23.4.2007).

Aufgrund dieser Gefährdungslage und der Unzuverlässigkeit des AKW-Betreibers Vattenfall strengt Greenpeace rechtliche Schritte gegen den Atommeiler an und fordert den Widerruf der Betriebsgenehmigung. Die Ausbreitungsrechnungen belegen, dass die 3 bis 30 Kilometer vom Atomreaktor Krümmel entfernt lebenden Kläger einem lebensgefährlichen Risiko ausgesetzt sind. Schon acht Minuten nach Freisetzung würde die radioaktive Wolke den Kläger in Schleswig-Holstein erreichen, der in drei Kilometer Entfernung lebt. Seine zu erwartende Strahlendosis beträgt 25.000 Millisievert in wenigen Stunden. Zum Vergleich: Ab einer Dosis von 7.000 Millisievert liegt die Sterblichkeitsrate bei nahezu 100 Prozent. Auf der Hamburger Reeperbahn wären die Menschen eineinhalb Stunden nach Austreten der Radioaktivität einer Strahlendosis von 1.900 Millisievert allein durch die Atemluft ausgesetzt – dem 19-fachen Grenzwert für eine Evakuierung. Noch in Schwerin würden 680 Millisievert erreicht.

Bundeskanzlerin Merkel und Innenminister Schäuble müssen die Gefahr endlich ernst nehmen, so Heinz Smital. Für den gewaltigen Profit der Atomkonzerne gefährden sie das Leben Tausender Menschen. Die endgültige Stilllegung des AKW Krümmel und das Abschalten der sieben ältesten Meiler ist nach Greenpeace-Berechnungen sofort möglich, ohne dass die Stromversorgung beeinträchtigt wird.

11 August 2009

Krümmel: Antrag auf Widerruf der Betriebsgenehmigung

Wiederholte Störfälle belegen Unzuverlässigkeit des Betreibers Vattenfall
Pressemitteilung von Greenpeace.de

Greenpeace hat heute bei der schleswig-holsteinischen Atomaufsicht den Widerruf der Betriebsgenehmigung für das Atomkraftwerk Krümmel beantragt. Die Umweltschutzorganisation vertritt dabei Bürger, die sich durch den Betrieb des AKW Krümmel in ihrer Gesundheit und in ihren Eigentümer-Interessen gefährdet sehen. Darüber hinaus ist der Reaktor nicht ausreichend gegen terroristische Anschläge geschützt.

Greenpeace beruft sich auf das Atomgesetz, das den Widerruf der Betriebsgenehmigung wegen erwiesener Unzuverlässigkeit des Betreibers ermöglicht. Bis heute hat Vattenfall die technischen Probleme des Reaktors nicht unter Kontrolle bringen können.

Die Kläger wollen nicht weiter mit der Angst vor einem schweren Störfall leben, sagt Greenpeace-Atomexperte Mathias Edler. Schleswig-Holsteins Atomaufsicht handelt fahrlässig, wenn sie Vattenfall nicht die Betriebsgenehmigung entzieht.

Sollte die von Christian von Boetticher (CDU) geführte Atomaufsicht den Antrag ablehnen oder verschleppen, wird Greenpeace Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht in Schleswig erheben. Erst am vergangenen Freitag hatte Boetticher in einem Schreiben an Greenpeace erklärt, die Überprüfung der Pannen in Krümmel würde noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Vor den Wahlen im Bund und in Schleswig-Holstein Ende September sind unsichere Atomreaktoren die Achillesferse der CDU, sagt Edler. Boetticher will eine Entscheidung über den Betrieb von Krümmel erst nach der Wahl fällen.

Im Atomgesetz zählt die Zuverlässigkeit und Fachkunde des Betreibers zu den wichtigsten Genehmigungsvoraussetzungen für den Betrieb eines Atomkraftwerks. Ist die Zuverlässigkeit nicht mehr gegeben, kann die Betriebsgenehmigung widerrufen werden. Nach Auffassung von Greenpeace ist dies der Fall: Ein Kurzschluss im Transformator hat im Sommer 2007 zu einem Brand auf dem AKW-Gelände geführt. Zwei Jahre lang war der Reaktor daraufhin abgeschaltet, überprüft und repariert worden. Doch nach dem Wiederanfahren Ende Juni 2009 kam es innerhalb von zwei Wochen erneut zu drei Störfällen. Seitdem ist der Reaktor außer Betrieb.

Nach dem erneuten Kurzschluss im Transformator am 4. Juli 2009 musste Vattenfall weitere Fehler zugeben: Ein vorgeschriebenes Messgerät an dem defekten Transformator war vor dem Wiederanfahren des Meilers nicht installiert worden. Eine Untersuchung zu defekten Brennelementen ist zudem noch nicht abgeschlossen. Wegen einer von der Atomaufsicht vorgeschriebenen Audio-Überwachung im Leitstand des AKW - vergleichbar mit der Black-Box in Flugzeugen - hat Vattenfall das Land Schleswig-Holstein verklagt, anstatt die Anordnungen umzusetzen.

05 August 2009

Merkel wusste seit 1996 von Atommüll-Risiken der Asse

Greenpeace fordert Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Bundestages
Pressemitteilung von Greenpeace.de

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war schon vor 13 Jahren über eine mögliche radioaktive Verseuchung des Trinkwassers durch das Atommüllager Asse II informiert. Dies geht aus einem Greenpeace vorliegenden Schreiben des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) an das Bundesumweltministerium aus dem Jahr 1996 hervor. Die Untersuchungen des BfS zeigen auf, dass die Lagerung von Atommüll in Salzstöcken mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden ist. So würde ein Voll-Laufen der Asse mit Wasser zu einer 100-fach über den zulässigen Grenzwerten liegenden Strahlenbelastung der Bevölkerung führen. Greenpeace fordert den Einsatz eines Untersuchungsausschusses im Bundestag, der prüft, inwieweit das Endlagerkonzept der Bundesrepublik durch diesen Behördenbericht nicht schon 1996 als gescheitert angesehen werden musste.

"Merkel ist eine Schlüsselfigur in der Endlagerpolitik und muss vor einen Bundestags-Ausschuss zitiert werden, sagt Greenpeace-Atomexperte Mathias Edler. Sie hat gewusst, dass die Lagerung von Atommüll in Salz nicht sicher ist. Asse und Morsleben hätten sofort dicht gemacht, der Ausbau des Salzstocks in Gorleben gestoppt werden müssen. Morgen beginnt in Hannover der Parlamentarische Untersuchungsausschuss auf Landesebene zu den Vorgängen in der Asse. Die CDU/FDP-Mehrheit verhindert in Niedersachsen jedoch eine Vorladung Angela Merkels.

Das BfS warnte bereits 1996 davor, dass größere Schwierigkeiten in der Asse das Konzept der Endlagerung von Atommüll in Salzbergwerken in Frage stellen könnten. Das Endlager Morsleben sei nicht mehr zu halten und das geplante Endlager für hochradioaktive Abfälle im niedersächsischen Salzstock Gorleben gefährdet.

Ungeachtet der Warnungen des BfS hat Angela Merkel als damalige Bundesumweltministerin noch im April 1998 die Betriebszeit von Morsleben um weitere fünf Jahre per Atomgesetzänderung verlängert. Erst eine von Greenpeace angestrengte Klage vor dem Oberverwaltungsgericht Magdeburg hat die weitere Einlagerung von Atommüll in der ehemaligen DDR-Deponie am 25. September 1998 gestoppt. Auch den Ausbau des Salzstocks Gorleben zum Endlager für hochradioaktive Abfälle hat sie durch eine Änderung des Atomgesetzes vorangetrieben.

Weder die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung, noch die finanziellen Mittel eines Untersuchungsauschusses auf Landesebene reichen aus, um einen Skandal dieser Tragweite aufzuklären. Alle drei Endlagerstandorte werden außerdem vom Bund betrieben. Also muss jetzt auch der Bundestag aufklären, sagt Mathias Edler.