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15 Januar 2013

Trotz Atomausstieg: Klimagasausstoß sinkt 2011 um 2,9 Prozent

Da das Jahr 2011 betreffend, kommt diese Pressemitteilung reichlich spät.

Gemeinsame Pressemitteilung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und des Umweltbundesamtes

Trotz Atomausstieg: Klimagasausstoß sinkt 2011 um 2,9 Prozent

Minderung überwiegend außerhalb des Emissionshandelssektors

Obwohl im Jahr 2011 acht Atomkraftwerke vom Netz gingen, sinken die Treibhausgasemissionen in Deutschland weiter. Gegenüber dem Vorjahr 2010 nahmen die Emissionen in 2011 überwiegend witterungsbedingt um 2,9 Prozent ab. Das sind 27 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente weniger. Die größten Minderungen erfolgten bei den Feuerungsanlagen zur Raumwärmeerzeugung, dadurch sanken vor allem die Emissionen der privaten Haushalte.
Dies ergeben Daten aus dem vom Umweltbundesamt (UBA) erstellten Nationalen Inventarbericht, den Bundesumweltministerium und UBA jetzt an die Europäische Kommission übermittelt haben. In den meisten Sektoren verflacht der Minderungstrend in den letzten Jahren. Dennoch konnten die Emissionen gegenüber 1990 um fast 27 Prozent gemindert werden. Deutschland hat sein Klimaschutzziel damit mehr als erfüllt. Mit dem Kyoto-Protokoll hatte sich Deutschland verpflichtet, seine Treibhausgasemissionen im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012 um 21 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken.
Bundesumweltminister Peter Altmaier sagte: „Mit dem, was wir erreicht haben, nimmt Deutschland einen Spitzenplatz unter den Industriestaaten ein. Die weitere Entwicklung ist aber kein Selbstläufer. Die Trendentwicklung zeigt, dass das Klimaziel der Bundesregierung von minus 40 Prozent bis zum Jahr 2020 zusätzliches Handeln erfordert. Hierzu müssen alle Sektoren einen fairen Beitrag leisten.“ Verglichen mit 2005 zeigt sich die derzeit geringe Anreizwirkung des europäischen Emissionshandels: Die Kohlendioxid-Emissionen von Unternehmen der Industrie und Energiewirtschaft konnten seither insgesamt nur um etwa fünf Prozent gemindert werden. Dies liegt an dem krisenbedingten Preisverfall bei den Emissionszertifikaten. Die Treibhausgas-Emissionen der übrigen Sektoren sanken hingegen um zehn Prozent. UBA-Präsident Jochen Flasbarth: „Der EU-Emissionshandel müsste deutlich mehr Anreize für den Klimaschutz in Deutschland setzen. Der krisenbedingte Preisverfall verhindert notwendige Investitionen in klimafreundlichen Technologien. Daher sollte Deutschland in der EU darauf hinwirken, das EU-Emissionshandelsbudget anzupassen, damit der Energiesektor und Industrie mehr in den Klimaschutz investieren“, so Flasbarth. Bedenklich sei auch, dass die Emissionen aus dem Verkehrssektor statt zu sinken, wieder leicht ansteigen. Insgesamt müsse das Europäische Klimaschutzziel von 20 Prozent auf 30 Prozent erhöht werden.

01 Juni 2012

GRÜNE (Bayern): Konkreter Ausstiegsplan für jedes einzelne AKW

Grüne Fraktions- und Parteichefs fordern deutliche Nachbesserungen am schwarz-gelben Energiekonzept – Brief an Seehofer

München. (sip) Die bayerischen Grünen drängen bei den Eckpunkten von Union und FDP für den Atomausstieg auf deutliche Nachbesserungen: „So, wie die schwarz-gelben Pläne jetzt vorliegen, sind sie insbesondere aus bayerischer Sicht nicht akzeptabel“, warnen die Fraktionsvorsitzenden Margarete Bause und Martin Runge zusammen mit den beiden Landesvorsitzenden Dieter Janecek und Theresa Schopper. In einem gemeinsamen Brief fordern die grünen Partei- und Fraktionschefs Ministerpräsident Seehofer daher auf, bei den Verhandlungen am morgigen Freitag im Kanzleramt einen konkreten Ausstiegs-Fahrplan für jedes einzelne Atomkraftwerk festzulegen.

„Es ist weder aus Sicherheitsgründen noch energiewirtschaftlich vertretbar, wenn die verbleibenden Atomkraftwerke wie Grafenrheinfeld oder Gundremmingen durch die Übertragung von Reststrommengen frühestens im Jahr 2021 vom Netz gehen sollen. Wenn die Energiewende gelingen soll, müssen die restlichen Atomkraftwerke nach einander in festgelegten Schritten stillgelegt werden.“ Nur so könne der Atomstrom Zug um Zug durch erneuerbare Energien oder die Übergangstechnologie Gas ersetzt werden. „Wenn dagegen alle AKW auf einen Schlag abgeschaltet werden sollen, hemmt das in der Zwischenzeit nicht nur Investitionen in neue Anlagen, sondern eröffnet den Konzernen ein Hintertürchen, um 2021 den endgültigen Ausstieg erneut in Frage zu stellen.“

Darüber hinaus müsse sich Ministerpräsident Seehofer bei den Gesprächen im Kanzleramt für ein deutlich höheres Ausbauziel bei den Erneuerbare Energien einsetzen. „35 Prozent für Sonne, Wind und Biomasse bis zum Jahr 2020 sind viel zu wenig – selbst die bayerische Staatsregierung hat sich ja bereits mit 50 Prozent auf eine deutlich ambitioniertere Zielmarke festgelegt.“ Problematisch sei dies insbesondere, weil die Bundesregierung gleichzeitig einen massiven Zubau fossiler Kraftwerke plane: „Hier muss ganz klar sichergestellt werden, dass als Übergangstechnologie nur Gas, nicht aber klimaschädliche Kohle in Betracht kommt.“ Im Interesse des Klimaschutzes sei es darüber hinaus entscheidend, neue Gaskraftwerke in Kraft-Wärme-Kopplung zu betreiben. Gerade für den Ausbau der Erneuerbarer Energien in Bayern müsse Seehofer auch darum kämpfen, die geplante Benachteiligung von Windkraftanlagen im Binnenland gegenüber den off-shore-Anlagen bei den Vergütungssätzen zurückzufahren.

Die Grünen bekräftigten in ihrem Schreiben an den Ministerpräsidenten ihre Bereitschaft, den Atomausstieg gemeinsam in einem überparteilichen Konsens voranzutreiben: „Unser Ziel ist, die Atomkraftwerke in Deutschland so rasch wie möglich abzuschalten und wir halten dafür ebenso wie das Umweltbundesamt das Jahr 2017 für machbar. Der Beschluss von Union und FDP, die acht gefährlichsten deutschen AKW sofort stillzulegen und auf die geplante Laufzeitverlängerung zu verzichten, war auf diesem Wege immerhin ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, so die Fraktionsvorsitzenden Margarete Bause und Martin Runge sowie die Parteivorsitzenden Dieter Janecek und Theresa Schopper. „Es liegt jetzt an schwarz-gelb, ob sie auf halbem Weg stehen bleiben oder die Energiewende auf der Grundlage eines breiten gesellschaftlichen Konsenses gemeinsam mit uns zu einem nachhaltigen Erfolgsprojekt machen wollen.“

20 März 2012

Japans Energiewende in den Köpfen: 80% für den Atomausstieg

SPIEGEL-Online v. 19.03.2012 berichtet unter Berufung auf die Zeitung "Tokyo Shimbun", dass 80 Prozent der befragten Japaner für den Atomausstieg votierten und nur noch 4,5 Prozent die Atomenergie weiter uneingeschränkt eingesetzt sehen möchten. - Die japanische Energiewende findet nicht nur in den Köpfen statt, sondern auch in der Praxis, denn die Provinzen legten zwecks Sicherheitsüberprüfung bis auf zwei alle Atommeiler still und hindern die Wiederinbetriebnahme trotz anhaltender Propaganda der Atomlobby.

07 März 2012

Japan: Nur noch 2 von 54 Atommeilern am Netz

Trotz anhaltend niedriger Wintertemperaturen kommt Japan gegenwärtig mit nur 2 von landesweit 54 Atomreaktoren aus. Das Land investiert jetzt endlich massiv in erneuerbare Energien und will "Weltmeister im Stromsparen" werden. Davon dürfte Japan freilich weit entfernt sein, denn wer glaubt, dass Klobrillen beheizt sein müssen, befindet sich energiepolitisch auf Abwegen. Überhaupt ist die japanische Architektur und Gebäudetechnik eine Hauptursache für die Energieverschwendung. Das zeigt sich bspw. daran, dass die Sommermonate wegen der vielen Klimaanlagen mehr Energie als die Heizperiode der Wintermonate verbrauchen.

Markus Rabanus >> Diskussion

15 Dezember 2011

Baden-Württemberg fordert europaweiten Atomausstieg

Stuttgart (Deutschland), 15.12.2011 – Für die Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember hat das Land Baden-Württemberg einen Antrag eingebracht, der den europaweiten Atomausstieg zum Ziel hat. Dazu soll auch der Euratom-Vertrag geändert werden. Der Antrag im Bundesrat wird bisher von den Ländern Berlin, Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen unterstützt. Im Bundesland Baden-Württemberg sind gegenwärtig noch die Kernkraftwerke Neckarwestheim (Block 2 mit einer thermischen Reaktorleistung von 3.500 MW) und Philippsburg (Block 2 mit einer thermischen Reaktorleistung von 3.950 MW) in Betrieb. Das Land wird seit dem 12. Mai 2011 von dem Grünen-Politiker Winfried Kretschmann regiert; zuständiger Landesminister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft ist Franz Untersteller, ebenfalls Mitglied der Grünen.
Euratom wurde am 25. März 1957 durch die Römischen Verträge von Frankreich, Italien, den Beneluxstaaten und der Bundesrepublik Deutschland gegründet und besteht noch heute fast unverändert. In der Präambel des Euratom-Vertrages heißt es u.a., „dass die Kernenergie eine unentbehrliche Hilfsquelle für die Entwicklung und Belebung der Wirtschaft und für den friedlichen Fortschritt darstellt“. Das Ziel formuliert Artikel I: „Aufgabe der Atomgemeinschaft ist es, durch die Schaffung der für die schnelle Bildung und Entwicklung von Kernindustrien erforderlichen Voraussetzungen zur Hebung der Lebenshaltung in den Mitgliedstaaten und zur Entwicklung der Beziehungen mit den anderen Ländern beizutragen.“

Quelle >> wikinews

31 Oktober 2011

Belgien: Ab 2015 in die atomenergiefreie Zukunft

Die Koalitionsverhandlungen unter sozialdemokratischer Führung sieht ab 2015 den Ausstieg aus der Atomenergie vor, der bis 2025 abgeschlossen sein soll. Mit einer erhöhten Abgabe auf abgeschriebene Atomkraftwerke soll insbesondere der Ausbau der Windenergie vorwärts gebracht werden. In Belgien kommen lt. Stern, Spiegel usw. gegenwärtig rund 55 % des verbrauchten Stroms aus Atomkraftwerken und gar 90 Prozent der belgischen Energieproduktion sei Atomenergie. Und das aus den sieben Antik-Reaktoren der zwei Atomkraftwerke Doel und Tihange.

Im Jahr 2003 war schon einmal der Atomausstieg Belgiens beschlossene Sache, wurde aber anschließend wieder aufgeweicht. Nach Fukushima wurde neu diskutiert, was von Belgien bleibt, wenn passiert, was laut Propaganda der Atomlobby “nicht passieren kann” – und im Umkreis von 100 Kilometern evakuiert werden müsste.

Deutschland, Österreich, Italien, Belgien und andere Atomausstiegsstaaten sollten sich jetzt gemeinsam für eine Atomstromsteuer stark machen – und nicht in nationalen Alleingängen den energetischen Umbau mit lauter verschiedenen Besteuerungen finanzieren wollen.

Markus S. Rabanus >> www.atomstromsteuer.de

15 Oktober 2011

Importverbot für Atomstrom vorbereiten

In Österreich wird diskutiert, ob ein Atomstrom-Importverbot mit dem EU-Recht vereinbar sei. Ein Gutachten der Sozietät Sattler & Schanda bejaht die Vereinbarkeit unter Hinweis auf Art 194 AEU, Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie (2009/72/EG), Richtlinie des Rates über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen (2009/71/Euratom), Richtlinie zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen (96/29/Euratom), die Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit, die gesetzlich normierten Nachweise für Zwecke der Stromkennzeichnung (§§ 78 f ElWOG).

An die Arbeit !!!
Auch wenn sich Deutschland solch Importverbot erst anschließen kann, wenn auch hier die eigene Atomstromproduktion beendet wurde. Also erst im Jahr 2022. Allerdings sollte ein Importverbot schon JETZT auch bei uns diskutiert und für 2022 in Aussicht gestellt werden, gegebenenfalls gemeinsam mit Österreich politisch und juristisch innerhalb der EU durchgefochten werden, damit die dann noch immer Atomstrom produzierenden Staaten nicht dauerhaft auf Atomstromexporte nach Deutschland spekulieren und in Atomkraftwerke investieren. - Eine Atomstromsteuer wäre ein Meilenstein in diese Richtung.

Markus Rabanus >> Diskussion

18 Juli 2011

Japans Regierungschef geht auf Distanz zur Atomkraft

"Wir müssen eine Gesellschaft entwickeln, die auf Atomenergie verzichten kann." - Das sind neue Töne des japanischen Ministerpräsidenten Naoto Kan. Damit kommt er allmählich auf Wellenlänge der atomkritischen Bevölkerung, die in zahlreichen Regionen die Reaktivierung pausierender Atomreaktoren verhindert. Im Moment sind nur noch 19 von den landesweit 54 Atommeilern in Betrieb, weshalb mit Appellen zur freiwilligen Energieeinsparung versucht wird, Stromsperren zu vermeiden. Allerdings ist der Regierungsapparat so sehr mit der Atomlobby verstrippt, dass bislang konkrete Maßnahmen zur Energiewende fehlen und von Kans Ministern hintertrieben werden. So behauptete jetzt wieder Handelsminister Kaieda, die japanischen Atomanlagen seien sicher. Dann soll er sich mal auf den Weg nach Fukushima machen und dort einen der "Helden" ablösen.
Markus Rabanus >> Diskussion

KORREKTUR: Am 16.07.2011 wurde gemeldet, dass wegen eines defekten Druckbehälters das Atomkraftwerk Ooi im Westen Japans abgeschaltet wurde. Im Moment seien 18 von 54 Atommeilern am Netz.

08 Juli 2011

Bundesrat stimmte dem Atomausstieg zu

Am heutigen Freitag hat auch der Bundestag dem vom Bundestag beschlossenen Atomausstieg zugestimmt. Folglich werden in Deutschland bis zum Jahre 2022 schrittweise alle Atomkraftwerke stillgelegt und Sondermüllhinterlassenschaft der Atomlobby sein.

26 Juni 2011

GRÜNEN-Parteitag stimmt Merkels Atomausstieg zu

Nach ausgiebiger Debatte beschloss der Parteitag der GRÜNEN am gestrigen Samstag, dass die Bundestagsfraktion dem Atomausstieg der Bundesregierung zustimmen solle. Keine leichte Entscheidung, denn zahlreiche Umweltverbände und viele Parteimitglieder fordern zum "NEIN" auf, da die Energiewende zweifellos schneller zu machen ist, zumal durch Energieeinsparung auch sofort auf Atomstrom verzichtet werden könnte und jede in Betracht zu ziehende Investition in erneuerbare Energien x-fach kostengünstiger und verantwortungsvoller ist als der Fall, dass sich das sogenannte "Restrisiko" (= eigentliches Hauptrisiko) realisiert.

Den Ausschlag für die Parteitagsentscheidung könnte die Abwägung erbracht haben, was eigentlich erreicht würde, wenn die Bundestagsmehrheit den Atomausstieg der Regierung ablehnt, wenn also die Opposition geschlossen mit Nein stimmt und dann noch aus dem Lager der Atomlobbyisten in CDU/CSU und FDP Nein-Stimmen kommen. Dann wäre Merkels Ausstiegsgesetz zwar vom Tisch, aber den Atomkonzernen RWE & Co. die Laufzeitverlängerung des vergangenen Herbstes eben auch seitens der GRÜNEN geschenkt.

Was können die GRÜNEN besser machen? Sie könnten z.B. mit der SPD, der Linkspartei und Parlamentariern der CDU/CSU und FDP ein besseres Ausstiegsgesetz zur Abstimmung bringen. Wenn das scheitert, kann noch immer dem radioaktiveren Ausstiegsgesetz Merkels zugestimmt werden.

Markus Rabanus >> Diskussion

14 Juni 2011

Zwei Drittel der Japaner für Atomausstieg

Das Handelsblatt meldet unter Berufung auf die japanische Zeitung Asahi, dass sich zwei Drittel der Japaner für den schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie aussprechen.

13 Juni 2011

Referendum in Italien: 95 % gegen Atomenergie

Aus dem von Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi geplanten "Wiedereinstieg in die Atomenergie" wird nichts. Beim Volksentscheid stimmten 95 Prozent gegen die Atomkraft.

Berlusconi hatte versucht, dem Referendum durch ein Moratorium seiner Atompläne die Mobilisierungskraft zu nehmen, dennoch lag die Wahlbeteiligung bei 57 Prozent. Berlusconis Versuch, das Referendum zu verbieten, scheiterte am Urteilsspruch des Obersten Gerichts.

2009 hatte Berlusconi unter Verletzung des Anti-Atom-Referendums von 1987 den Bau von Atomkraftwerken präsidial dekretiert, in der Folgezeit bereits mit dem französischen Atomkonzern AREVA Verträge geschlossen, aber fand schon keine Provinz, die das radioaktive Projekt gegen den Widerstand der Bevölkerung realisieren würde. Gleichwohl war Berlusconis undemokratischer Alleingang für die Atomlobby in Deutschland und weltweit "ein Beleg" für die angebliche "Renaissance der Kernenergie".
>> Diskussion

08 Juni 2011

Schweiz: Auch Nationalrat stimmt Atomausstieg zu

Am heutigen Mittwoch hat nun auch der Nationalrat dem bereits vom eidgenössischen Bundesrat beschlossenen Atomausstieg zugestimmt.

06 Juni 2011

Atomausstieg nahm nächste Hürde

Das schwarz-gelbe Kabinett stimmte dem provisorischen Bund-Länderkompromiss in Sachen "schrittweiser Atomausstieg bis 2022" zu.

Wikinews.de berichtet: Deutsche Bundesregierung beschließt Atomausstieg

Berlin (Deutschland), 06.06.2011 – Die schwarz-gelbe Bundesregierung in Deutschland beschloss heute mehrere Gesetzesvorlagen, die die energiepolitische Wende für einen Ausstieg aus der Kernenergie besiegeln sollen. Damit vollzieht die Regierung aus CDU/CSU und FDP eine Abkehr von einer Politik der Befürwortung der Kernenergie mit einer jahrzehntelangen Tradition.
Noch im Oktober 2010 hatte die Regierung den von der rot-grünen Bundesregierung ausgehandelten Atomkonsens aufgekündigt, der einen schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie vorsah. Die Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke wurden verlängert. Nach den Ereignissen um die Havarie des japanischen Kernkraftwerks Fukushima-Daiichi hatte die Regierung eine energiepolitische Wende eingeleitet.
Das vom Bundeskabinett beschlossene Maßnahmenpaket umfasst allein elf Gesetze beziehungsweise Gesetzesänderungen.
Im Einzelnen wurde folgendes beschlossen:
Die acht bereits vom Netz genommenen Kernkraftwerke bleiben dauerhaft abgeschaltet. Nach und nach sollen bis 2022 die Kernkraftwerke Grafenrheinfeld (2015), Gundremmingen B (2017), Philippsburg II (2019), Grohnde, Brokdorf und Gundremmingen C (alle 2021) vom Netz gehen. Schließlich sollen im Jahr 2022 die Kernkraftwerke Isar II, Neckarwestheim II und Emsland abgeschaltet werden. Die jeweiligen Abschaltdaten orientieren sich dabei am Baujahr und technischen Standard der Kernkraftwerke.
Um die Frage der Endlagerung ausgebrannter atomarer Brennelemente zu lösen, sollen weitere Erkundungen neben der Erkundung des möglichen Standortes Gorleben erfolgen. Bisher war der Salzstock von Gorleben der einzige intensiv erforschte Standort für die künftige Endlagerung von radioaktivem Müll aus Kernkraftwerken.
Um den Wegfall von Stromkapazitäten durch die Abschaltung von Kernkraftwerken zu kompensieren ist geplant, mehrere neue Kraftwerke zu errichten. Dies sollen vor allem Gaskraftwerke sein. Daneben soll der Ausbau regenerativer Energien weitergehen, hier vor allem Windenergie. Die Genehmigungsverfahren für den Bau von Offshore-Windkraftanlagen sollen entbürokratisiert werden. Die staatlichen Subventionen für diesen Sektor werden jedoch zurückgeschraubt.
Außerdem soll bis 2020 der Ausbau des Stromnetzes in Deutschland massiv vorangetrieben werden, um den Transport von elektrischer Energie innerhalb Deutschlands besser als bisher zu gewährleisten.
Fördermittel für die Energieeinsparung durch Gebäudesanierungen sollen ab 2012 auf 1,5 Milliarden Euro jährlich angehoben werden. Verkehrs- und Bauminister Peter Ramsauer (CSU) legte dar, in diesem Bereich gebe es ein hohes Energieeinsparpotential: „70 Prozent des Primärenergiebedarfs fallen an im Bereich des Verkehrs und bei Gebäuden.“
Den Kernkraftwerksbetreibern kommt die Regierung insoweit entgegen als Reststrommengen von den stillgelegten Atommeilern auf neuere Atommeiler übertragen werden können. Am geplanten Enddatum für den Atomausstieg (2022) soll aber nicht gerüttelt werden.
Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) betonte auf der Pressekonferenz heute, der Anteil regenerativer Energiequellen solle bis 2020 um mindestens 35 Prozent ausgebaut werden. Den Atomausstieg nannte Röttgen „unumkehrbar“.
Über das Gesetzespaket für die Energiewende soll der Deutsche Bundestag am 30. Juni entscheiden, am 8. Juli sollen die Gesetzesvorlagen dem Bundesrat zur Abstimmung vorgelegt werden.
Während die SPD ihre Unterstützung für das Gesetzespaket der Bundesregierung ankündigte, erklärte die Parteispitze von Bündnis 90/Die Grünen, einen Parteitag über die Zustimmung zu den Gesetzen der Bundesregierung für eine Abkehr von der Kernenergie entscheiden zu lassen.

30 Mai 2011

IPPNW: Super-GAU-Risiko für weitere 3.650 Tage

Atommeiler ohne funktionierende Notfallmaßnahmen und Kernschmelzfestigkeit
Pressemitteilung IPPNW.de

Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW kritisiert den Beschluss der Regierungskoalition, die Bevölkerung weitere 3.650 Tage der Gefahr eines Super-GAU im dicht besiedelten Deutschland auszusetzen, als verantwortungslos. „Bei einer ernst zu nehmenden Sicherheitsüberprüfung wären gerade auch die zuletzt in Deutschland errichteten Konvoianlagen durchgefallen“, so IPPNW-Atomenergieexperte Henrik Paulitz unter Verweis auf den unlängst veröffentlichen AKW-Stresstest seiner Organisation.

Die Bundesregierung will ausgerechnet die Atommeiler am längsten weiterbetreiben, denen die Gutachterorganisation der Bundesatomaufsicht bescheinigt hat, dass die Notfallmaßnahmen bei Kühlmittelverluststörfällen nicht funktionieren.

Nach den Plänen der Bundesregierung und mit faktischer Billigung der Opposition sollen neun Atommeiler noch bis zu zehn Jahre weiterbetrieben werden. Es handelt sich dabei um die beiden Siedewasserreaktoren der Baulinie 72 (Gundremmingen B/C), die vier Vorkonvoi-Anlagen (Brokdorf, Grafenrheinfeld, Grohnde, Philippsburg-2), und die drei Konvoianlagen (Isar-2, Emsland, Neckarwestheim-2). Die Anlagen sind mit 22 bis 26 Betriebsjahren alles andere als neu, ihre sicherheitstechnische Konzeption erfolgte vor rund 30 bis 40 Jahren.

„Es ist bemerkenswert, wie sich die politische Klasse in Deutschland weigert, sich ernsthaft mit den Sicherheitsdefiziten der zuletzt in Deutschland errichteten Konvoianlagen überhaupt nur zu befassen. Da hat man sich vor Jahren auf die Formel alt gleich unsicher und neu gleich tolerabel eingeschworen und ignoriert seitdem alles, was diese Sicht der Dinge in Frage stellen könnte“, kritisiert Paulitz. „Dabei haben sich die Aufsichtsbeamten in den vergangenen Jahren gewundert, welche Sicherheitslücken bei den Konvoianlagen durch die Anlagenvergleiche festgestellt wurden, die im Rahmen der Strommengen-Übertragungsverfahren angefertigt wurden“.

Die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS), wichtigste Gutachterorganisation der Bundesatomaufsicht, hat in gutachterlichen Stellungnahmen und in ihrer Risikostudie für die Konvoianlagen gravierende Sicherheitslücken im gesamten Ablauf eines Atomunfalls festgestellt. Das betrifft die Störfallbeherrschung, die Notfallmaßnahmen als auch die Kernschmelzfestigkeit. Bezüglich „Kleiner Lecks“ monieren die Regierungsgutachter beispielsweise eine zu große Leistung des Reaktors, konstruktive Mängel des Notkühlsystems, eine zu geringe Kapazität der Frischdampf-Umleitstation und zu wenige sekundärseitige Einspeisesysteme. Hinzu kommen beispielsweise eine zu geringe Zahl an Ventilen bzw. Ventile mit zu geringer Abblasekapazität. Obendrein gibt es nur einen betrieblichen Strang zur Kühlung des Brennelement-Lagerbeckens.

Regelrecht skandalös ist, dass laut GRS ausgerechnet auch noch die nachgerüsteten Notfallmaßnahmen u.a. beim Kleinen Leck (Kühlmittelverluststörfall) nicht funktionieren. Hinsichtlich der ultimativen Notfallmaßnahme „Primärseitige Druckentlastung und Bespeisung (PDE)“ stellt die GRS fest: „Beim Kühlmittelverluststörfall ist dann die Zeitspanne zwischen dem Anstehen der Kriterien und dem Zeitpunkt, bis zu dem PDE zur Verhinderung des Kernschadenszustands wirksam sein muss, so kurz, dass dieses Ziel kaum erreichbar ist.“ Kommt es zur Kernschmelze, dann zeichnen sich die Konvoianlagen Neckarwestheim-2, Emsland und Isar-2 dadurch aus, dass ihr Containment aus Werkstoffen mit geringeren Festigkeiten gefertigt wurde. „Alle Fachleute wissen, dass die deutschen Containments nicht für einen Kernschmelzunfall konzipiert wurden und beispielsweise durch Wasserstoff- oder Dampfexplosionen zerstört werden können“, so Paulitz.
>> Diskussion

Greenpeace: Atomausstieg in 2022 ist inakzeptabel

Merkel macht Rückzieher von Ausstieg so schnell wie möglich"
Pressemitteilung Greenpeace.de

Greenpeace reagiert bestürzt auf den Atomdeal zwischen den Koalitionsparteien von heute Nacht. Entgegen dem Versprechen von Bundeskanzlerin Merkel, aus der Atomkraft so schnell wie möglich auszusteigen, sollen die letzten deutschen Atomreaktoren frühestens im Jahre 2022 vom Netz gehen. Es bleibt unklar, ob ein Parlamentarischer Beauftragter für die Energiewende eingesetzt werden soll. Damit könnte den Atomkonzernen Tür und Tor geöffnet werden, den Atomausstieg noch weiter zu verzögern.

"2022 ist für Greenpeace absolut inakzeptabel, sagt Tobias Münchmeyer, Energieexperte bei Greenpeace. Ein Ausstieg bis 2022 ist nicht der schnellstmögliche den sie versprochen hatte, sondern ein unverantwortlich langsamer Ausstieg. Merkel hat ihr Wort gebrochen und nichts aus Fukushima gelernt. So setzt sie Millionen von Menschenleben noch elf Jahre unnötigerweise einer hohen Gefahr aus. Greenpeace hatte vorgerechnet, dass ein schnellstmöglicher Atomausstieg innerhalb von vier Jahren versorgungssicher möglich ist.

Der von der Ethik-Kommission empfohlene Parlamentarische Beauftragte für die Energiewende und das damit verknüpfte Monitoring-System sollen jährlich die Grundlagen liefern für die Entscheidung, wann und welche Atomkraftwerke abgeschaltet werden können. Greenpeace kritisiert, dass damit kein Anreiz geschaffen würde, früher als 2021 auszusteigen, sondern das Gegenteil: Atomkonzerne und Interessensgruppen könnten den Ausstieg in die Länge ziehen, indem sie zum Beispiel den Netzausbau oder Kraftwerksinvestitionen verzögern und so die Abschaltdaten nach hinten verschieben. Damit würde den Konzernen Tür und Tor für Missbrauch und Manipulation geöffnet werden, sagt Tobias Münchmeyer. Wir brauchen klare und verbindliche Abschaltdaten für jeden Reaktor. Nur so gibt es die für den Stromsektor dringend notwendige Investitionssicherheit und endlich eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung.

Wie gestern bekannt geworden war, empfiehlt die Ethikkommission, bis spätestens 2021 aus der Atomkraft auszusteigen. Allerdings scheint dieses Datum willkürlich festgelegt worden zu sein. Es gibt dafür keinen technisch, ökonomisch oder sozial zwingenden Grund. Nach bisher vorliegenden Informationen hält die Kommission auch einen schnelleren Atomausstieg für möglich und wünschenswert, wenn die Energiewende schnell genug vorankommt. Darauf ist Frau Merkel gar nicht eingegangen. Sie hat einfach nur das Maximum dessen für die Konzerne herausgeholt, was sie glaubt, der Bevölkerung und der Opposition zumuten zu können. Eine mutige Entscheidung sieht anders aus, so Münchmeyer.

Greenpeace fordert von Bundeskanzlerin Merkel, bis 2015 aus der Atomkraft auszusteigen, fixe Abschaltdaten ohne Hintertürchen für jeden Atommeiler festzulegen und kein Atomkraftwerk als Kaltreserve in Betrieb zu lassen.

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BUND: Atomausstieg bis 2022 ist kein Konsens mit den Umweltverbänden

Merkel stilisiert sich als "Mutter Teresa der Energiewende". Der versprochene schnellstmögliche Atomausstieg wurde vertagt
Pressemitteilung Bund für Umwelt und Naturschutz

Atomausstieg bis 2022 ist kein Konsens mit den Umweltverbänden. Merkel stilisiert sich als "Mutter Teresa der Energiewende". Der versprochene schnellstmögliche Atomausstieg wurde vertagt

Berlin: Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht in dem Kompromiss der Regierungsparteien für einen Atomausstieg bis 2022 keine akzeptable Antwort auf die Reaktorkatastrophe von Fukushima. Die Atomenergie sei ein tägliches, unverantwortbares Risiko für die Bevölkerung und könne viel schneller durch umweltfreundliche und sichere Alternativen ersetzt werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe nach Fukushima versprochen, aus der Atomkraft "so schnell wie möglich" auszusteigen. Dieses Versprechen breche sie nun mit einem verzögerten Atomausstieg, wie er bereits vor zehn Jahren von Rot-Grün beschlossen worden sei. Der schwarz-gelbe Atomkompromiss ignoriere zudem die Aussage der Ethik-Kommission, ein endgültiger Atomausstieg sei auch weit vor 2022 machbar.

Hubert Weiger, BUND-Vorsitzender: "Angela Merkel inszeniert sich als Mutter Teresa der Energiewende. Sie setzt weiter auf eine Verschleppung des Atomausstiegs bis 2022. Immer noch gibt es Hintertüren, die ein Rollback beim Atomausstieg ermöglichen. Wenn einer der alten und störanfälligen Atommeiler weiter in Reserve gehalten werden soll, ist dies nicht nur inkonsequent, es ist auch ein viel zu großes Risiko."

Alle deutschen Atomkraftwerke hätten gravierende Sicherheitsprobleme. Daraus ergebe sich die Notwendigkeit, alle Reaktoren ohne Wenn und Aber und ohne Verzögerungen vom Netz zu nehmen. Weiger: "Es wird keine Stromausfälle und es wird keine Importe von Atomstrom geben. Jede Hintertür für den endgültigen und sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie ist Gift für die dringend erforderliche Energiewende."

Den Energiekonzernen dürfe auf keinen Fall ermöglicht werden, den Atomausstieg zu verschleppen und Abschaltdaten zu verschieben. Weiger forderte deshalb eindeutige und verbindliche Abschaltdaten für jeden Atommeiler. Nur dann gebe es die Investitionssicherheit, die der deutsche Energiesektor dringend benötige. Deutschland könne ein Modell für andere Staaten sein, wenn es auf die gefährliche Atomenergie verzichte. Eine Neuorientierung der Bundesregierung in Sachen Energiepolitik sei nur glaubhaft, wenn der Atomausstieg einem schnellen und klaren Fahrplan folge.

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WWF: Energiewende sieht anders aus

WWF: Koalitionsvorschlag ist visionsloses Stückwerk
Pressemitteilung WWF.de

Berlin - Der WWF kritisiert die Koalitionsvereinbarung zum Atomausstieg als visionsloses Stückwerk. „Die Koalition hat ihren Auftrag zur Energiewende nicht erfüllt“, sagt WWF Vorstand Eberhard Brandes. Es sei zwar gut, dass sich die Koalitionsparteien auf ein konkretes und verbindliches Ausstiegsdatum aus der Kernenergie geeinigt hätten und acht Meiler abgeschaltet bleiben. Allerdings enthalte die Vereinbarung völlig inakzeptable Elemente. WWF Vorstand Eberhard Brandes sagte in Berlin:

„Eine echte und gelungene Energiewende sieht anders aus. Das Ausstiegsszenario bis 2022 ist zu lang, die erneuerbaren Energien werden beschnitten statt gefördert, uns droht der Bau weiterer Braunkohlekraftwerke und die Gelder für den internationalen Klimaschutz werden kannibalisiert. So verlieren wir im internationalen Klimaschutz massiv an Glaubwürdigkeit. Wie und wofür ein Kernkraftwerk als Kaltreserve vorgehalten werden soll, bleibt offen, ebenso, wie die Koalition auf den Gedanken kommt, dass Deutschland 10 Gigawatt Grundlast zubauen muss. Diese Berechnung ist extrem fragwürdig und scheint vor allem dem Ziel zu dienen, den Bau von Kohlekraftwerken zu rechtfertigen.“

Brandes weiter: „Wie man angesichts des Klimawandels im Jahre 2011 auf die Idee kommen kann, den Neubau von Braunkohlekraftwerken als Bestandteil einer Energiewende zu verkaufen, ist für den WWF unverständlich. Deutschland hat Verpflichtungen im internationalen Klimaschutz. Es besteht die Gefahr, dass mit diesen Vorschlägen die internationale Glaubwürdigkeit Deutschlands untergraben wird..“
>> Diskussion

Mitschrift Pressekonferenz: Regierung zur Energiewende

Pressekonferenz zum Energiekonzept der Bundesregierung mit Bundeskanzlerin Merkel, BM Rösler, BM Röttgen und BM Ramsauer
Pressemitteilung Bundesregierung.de

Sprecher: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesminister Philipp Rösler, Bundesminister Norbert Röttgen, Bundesminister Peter Ramsauer

BK'IN DR. MERKEL: Meine Damen und Herren, Deutschland ist eines der leistungsfähigsten und wirtschaftlich erfolgreichsten Länder der Welt. Die Voraussetzung dafür, dass das für unsere Unternehmen auch so bleibt, ist, dass wir eine wettbewerbsfähige Energieversorgung haben. Unsere Bürger vertrauen darauf, dass Strom zu jedem Zeitpunkt ausreichend verfügbar ist, unsere Energieversorgung soll klimaverträglich und umweltverträglich sein, und unser Anspruch lautet: Wir wollen unseren verbrauchten Strom selbstständig erzeugen. Das heißt, nicht von Stromimporten abhängig zu sein.

Die gesellschaftliche Grundentscheidung, in Zukunft ‑ bis 2050 ‑ die Energieversorgung aus erneuerbaren Energien zu gestalten, ist bereits seit Längerem gefallen. Wir haben im Herbst 2010 auch einen Bauplan dazu erarbeitet, der sich genau diesem Ziel verschrieben hat. Aber wir haben nach der ‑ jedenfalls für mich ‑ unvorstellbaren Havarie in Fukushima die Rolle der Kernenergie noch einmal überdenken müssen und uns deshalb entschlossen, den im Herbst beschlossenen Weg noch schneller zu gehen und zu gestalten.

Wir wollen, dass der Strom der Zukunft sicher sein soll, zugleich verlässlich und natürlich wirtschaftlich. Für diesen Strom der Zukunft brauchen wir eine neue Architektur unseres Energiewesens. Wir haben, um uns darauf vorzubereiten, als Bundesregierung eine Ethikkommission berufen, und die Ergebnisse der Arbeit dieser Ethikkommission sind so etwas wie die Richtschnur für das, was wir regierungsseitig beschlossen haben. Wir werden schrittweise bis Ende 2022 vollständig auf die Kernenergie verzichten.

Dieser Weg ist für Deutschland eine große Herausforderung, aber er bedeutet vor allen Dingen auch riesige Chancen für künftige Generationen. Wir glauben, dass wir als Land Vorreiter auf dem Weg zur Schaffung eines Zeitalters der erneuerbaren Energien werden können. Wir können als erste große Industrienation eine solche Wende zu hocheffizienten und erneuerbaren Energien schaffen - mit all den Chancen, die darin für Exporte, für Entwicklungen, für Technologie und für Arbeitsplätze liegen.

Der Weg des Umstiegs war bislang nicht beschrieben. Es hat immer Ausstiegsdaten gegeben, aber der Weg, auf dem man umsteigt und wie man einsteigt, war nicht ausreichend beschrieben. Das erfordert eine Vielzahl von neuen Entscheidungen. Nur mithilfe dieser Entscheidungen werden wir es schaffen, eine solche Architektur der Energieversorgung auch zu entwickeln. Das ist das Neue an den jetzt gefassten Beschlüssen, die sich an den Prinzipien der Versorgungssicherheit, der Bezahlbarkeit sowie der Umwelt- und Klimafreundlichkeit ausrichten. Dafür werden wir eine Vielzahl von Gesetzgebungsvorhaben einbringen. Die werden wir nächste Woche im Kabinett verabschieden. Die zuständigen Minister werden dazu Stellung nehmen. Wir werden dann sehr präzise sagen und verfolgen können, wie wir die gesteckten Ziele auch wirklich erreichen. Wir wollen nämlich nicht nur bis 2022 auf die Kernenergie verzichten und die sieben ältesten Kernkraftwerke sowie das Kernkraftwerk Krümmel nicht wieder ans Netz gehen lassen, sondern wir wollen auch eine 40-prozentige Reduktion unserer CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 erreichen und den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung verdoppeln, von heute 17 Prozent auf 35 Prozent.

Das ganze Projekt wird nur gelingen, wenn wir es beständig überwachen und dafür einen sehr transparenten Monitoring-Prozess gestalten. Die Ethikkommission gibt uns hierzu im Übrigen eine Vielzahl von Empfehlungen, die wir auch noch einmal prüfen sollten. Wir werden das jährlich machen. Die zuständigen Minister werden darüber berichten, und dann wird das auch breit im Parlament diskutiert werden. Die Ethikkommission schlägt uns hierbei sogar eine Projektsteuerung vor, mit der wir das Ganze wirklich voranbringen. Es muss jedenfalls alles dafür getan werden, dass die ehrgeizigen Zeitpläne eingehalten werden.

Wir denken, dass wir mit diesen Beschlüssen eine Chance haben, die Wende zu einem wirklichen Strom der Zukunft zu schaffen, und wir sind als Bundesregierung und als Koalition gewillt, diesen Weg auch gemeinsam und entschlossen zu gehen.

BM DR. RÖSLER: Meine sehr verehrten Damen und Herren, man soll so große Begriffe ja nicht zu oft benutzen, aber ich glaube, heute ist ein guter Tag für die deutsche Energiepolitik. Man könnte fast schon sagen, es ist auch ein historischer. Das Enddatum – 2022 ‑ wurde schon genannt, und der Weg dahin ist für uns entscheidend. "Stimme der Vernunft" heißt aus meiner Sicht, dass man in der Tat die drei Ziele, die es in der Energieversorgung gibt, miteinander in Einklang bringen muss: erstens die Umweltverträglichkeit und den Klimaschutz, zweitens die Versorgungssicherheit und drittens eben auch die Bezahlbarkeit von Energie. Ich glaube, das ist mit den Beschlüssen der Bundesregierung jetzt gelungen.

Als Ausstiegsdatum wurde von der Ethikkommission ja "innerhalb des nächsten Jahrzehnts" empfohlen. Wenn man jetzt davon ausgeht, dass dieses Jahr fast schon wieder vorbei ist, dann liegt 2022 ja innerhalb der Vorschläge der Ethikkommission. Aber viel entscheidender ist der Weg dorthin und wie er dort beschrieben wird. Ich glaube, wichtig ist ein strenges Monitoring: Werden all die Ziele, die man sich vorgenommen hat, auch immer wieder erreicht? Schafft man es, entsprechende Investitionen im Bereich des Kraftwerkneubaus zu leisten? Wie schnell sind wir beim Netzausbau? – All das wird eine Rolle spielen, wird jährlich überprüft werden, wird jährlich berichtet werden und dann auch im Deutschen Bundestag zu diskutieren sein.

Als Wirtschaftminister sind mir drei Bereiche besonders wichtig, zum einen das Netzausbaubeschleunigungsgesetz. Hierbei geht es darum, die notwendige Infrastruktur für den Ausstieg aus der Kernenergie zu schaffen. Hierbei geht es eben darum, gerade große Trassen, die mehrere Bundesländer überschreiten, schneller als bisher zu planen und zu bauen und insgesamt auch im Rahmen einer Bundesfachplanung dazu zu kommen ‑ ähnlich wie beim Bundesverkehrswegeplan ‑, ein Netz zu haben, das gemeinsam mit den Ländern auf Bundesebene diskutiert und auch vorbereitet wird, damit wir bei dem notwendigen Netzausbau selbst eben möglichst schnell sein können.

Neu hinzugekommen ‑ auch nach den gestrigen Diskussionen ‑ ist ein sogenanntes Planungsbeschleunigungsgesetz, denn wir brauchen Ersatzkapazitäten im Bereich erneuerbarer Energien. Wir brauchen aber auch Ersatzkapazitäten im Bereich großer Kraftwerke und im Bereich fossiler Brennstoffe. Hier ist das Ziel, eben zu deutlich kürzeren Bau- und Planungszeiten zu kommen. Dafür ist dieses Planungsbeschleunigungsgesetz gedacht. Man kann sich das so ähnlich wie die großen Beschleunigungsgesetze im Rahmen der Projekte zur deutschen Wiedervereinigung vorstellen. Dabei ist es ja auch gelungen, große Infrastrukturmaßnahmen sehr schnell zu planen und zu bauen, beispielsweise auch Kraftwerke im konventionellen Bereich an alten Kernkraftwerkstandorten neu zu planen und vor allem auch genehmigen zu lassen.

Das Dritte ist, zu einer Entlastung der mittelständischen Wirtschaft, aber auch der Industrie zu kommen, und zwar durch Strompreiskompensationen. Darüber wird es auf europäischer Ebene noch Gespräche geben müssen. Gleichzeitig ist es zu einer Umstellung im Bereich der erneuerbaren Energien gekommen, sodass noch besser auf die Belange und Bedürfnisse der kleineren Unternehmen eingegangen werden kann. Die Grenze des Verbrauchs lag, glaube ich, bei bisher 10 Gigawattstunden und geht jetzt auf 5 Gigawattstunden herunter. Das heißt, die Entlastung kann früher greifen. Sie verläuft nicht mehr in Stufen, sondern linear, und das ist ein guter Beitrag gerade auch für das kleine Gewerbe, den Mittelstand und das Handwerk. Gleichzeitig gibt es eben die großen Strompreiskompensationen für die Industrie.

Damit wird, glaube ich, deutlich gezeigt: Wir haben das Ziel der Versorgungssicherheit und der Preisgünstigkeit für die deutsche Wirtschaft im Blick. Wir freuen uns sehr, dass es auch gelungen ist, für die Netzstabilität ‑ die befand sich in den letzten Tagen in der Diskussion ‑ eine Lösung zu finden, nämlich entsprechende Reservekraftwerke. Man kann also sehr zufrieden sein. Das geht bis hin zu der Frage der Brennstoffelementesteuer, hinsichtlich der auch klar wird, dass es auf der einen Seite nicht womöglich zu Steigerungen bei den Verbrauchern kommt und gleichzeitig die Industrie entlastet wird. Das ist, glaube ich, ein guter Kompromiss und ein gutes Ergebnis für die Energiepolitik, aber auch für die Wirtschaft und die Industrie in Deutschland.

BM DR. RÖTTGEN: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, dass wir alle der Auffassung sind, dass die Energiepolitik nicht nur eine Fachfrage ist. Sie ist weit mehr als eine Fachfrage in unserem Land. Sie hat eine erhebliche gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Bedeutung. Sie ist entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft, und sie ist auch eine der Grundfragen in Bezug darauf, wie wir uns in der Zukunft Wachstum in unserem Land vorstellen.

Darum ist es, glaube ich, schon eine beachtliche Leistung der Koalition, dass wir ein klares, konsistentes Konzept erarbeitet haben, mit dem wir auch einen übergreifenden Konsens in unserem Land erstreben. Was macht die Klarheit und die Konsistenz aus, die wichtig sind für die Umsetzung, aber auch für die Glaubwürdigkeit?

Wir haben entschieden, dass die sieben älteren Kernkraftwerke plus Krümmel nicht mehr ans Netz gehen, also vom Netz bleiben. Das ist eine klare Entscheidung. Weiterhin haben wir für die anderen, bestehen bleibenden Kernkraftwerke klare späteste Endzeitpunkte festgelegt. Für die drei neuesten Kernkraftwerke ‑ das sind Neckarwestheim II, Isar II und Lingen im Emsland – spätestens das Jahr 2022, die sechs verbleibenden gehen spätestens 2021 vom Netz. Die Daten, zu denen diese Kernkraftwerke vom Netz gehen, sind nicht konditioniert, stehen nicht unter dem Vorbehalt einer Revisionsklausel, sondern es besteht Klarheit für alle, insbesondere für Investoren, die nun wissen, woran sie sind.

Es wird einen jährlichen Fortschrittsbericht in den einzelnen Bereichen geben. Wir entlasten uns nicht sozusagen im Heute, indem wir Ziele, die in zehn Jahren zu erreichen sind, vorgeben, sondern die Politik setzt sich unter Selbstkontrolle und wird jährlich darüber berichten, ob wir im Plan sind. Wenn wir nicht im Plan sind, gilt es nachzusteuern. Aber diese Plankontrolle, diese Zielerreichungskontrolle und die Fortschrittsberichte stellen nicht das Ziel infrage, sondern sie bedeuten gegebenenfalls, dass wir in den Maßnahmen nachsteuern müssen.

Die Kernbrennstoffsteuer bleibt erhalten, weil die Aufgaben, unter anderem die Sanierung der Asse, die möglicherweise einen Milliardenbetrag erfordern wird, auch ebenfalls erhalten bleiben.

Wir reichen auch die Hand, im Energiekonsens ebenfalls einen Schritt zu einem Endlagerkonsens in Deutschland zu machen ‑ das ist als ein Teil der Kernenergiefrage eines der Kampfthemen seit Jahren und Jahrzehnten in unserem Land ‑, indem wir vorschlagen, neben der ergebnisoffenen Erkundung von Gorleben ‑ das ist klar ‑ auch die unterschiedlichen geologischen Formationen und alternative Entsorgungsoptionen offen zu diskutieren und dazu auch ein offenes Verfahren zu initiieren, an dem wir möglichst viele beteiligen wollen.

Dies ist eine klare und ambitionierte Entscheidung für den Ausbau der erneuerbaren Energien in unserem Land und bedeutet gut eine Verdoppelung auf 35 Prozent in neun Jahren, nämlich bis 2020. Wir erstreben den Charakterwandel des Erneuerbare-Energien-Gesetzes von einem Subventionsgesetz, das blind ist für die Frage, ob der aus erneuerbaren Energien produzierte Strom auf eine Nachfrage trifft, hin zu einer Markt- und Nachfrageorientierung. Das ist, wenn sie zur Grundversorgung mit Strom zählen sollen, schon bei 35 Prozent notwendig, aber erst recht bei 80 Prozent, die wir erstreben. Darum nutzen und realisieren wir durch technologische Entwicklung, durch Marktpreisentwicklung konsequent die Kosteneffizienz, die im System steckt. Nicht die Höhe von Subventionen ist der Gradmesser des Erfolgs, sondern eigentlich ist es das Maß, in dem sich Subventionen überflüssig machen, weil die Technologien nach und nach im Markt wettbewerbsfähig werden.

Wir werden die Begünstigung für stromintensive Unternehmen deutlich ausweiten und auch im System verändern. Bislang gibt es eine Förderung in einem Zwei-Stufen-System, zwei Treppenstufen der Förderung. Unternehmen mit einem Verbrauch bis 10 Gigawattstunden im Jahr ‑ das ist ziemlich viel ‑ bekommen bislang überhaupt keine Förderung, und dann wird zweimal abgestuft, bis 0,05 Cent. Das ist eine extreme Förderung. Das verändern wir, indem wir ein lineares System, also eine gleitende Förderung nach dem Prinzip einführen: Je mehr Strom, beginnend bei einer Gigawattstunde, verbraucht wird, desto höher ist die Förderung.

Das heißt: Wir leisten auch mit der Novelle des EEG einen wirklich ausdrücklichen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit gerade der stromintensiven Industrie, und das ist auch genau unser Verständnis der Energiepolitik, die wir machen. Der Ausbau der Infrastruktur gehört ebenso dazu wie die Sicherstellung der Finanzierung wichtiger Maßnahmen der Energie- und Klimapolitik in dem sondergesetzlich begründeten Energie- und Klimafonds, in dem ja nunmehr die 300 Millionen Euro aus dem Ertrag der Brennstoffsteuer fehlen, welcher aber dadurch ersetzt wird, dass die gesamten Einnahmen aus dem CO2-Zertifikatehandel ‑ das sind noch einmal (900 Millionen) Euro mehr als vorher vorgesehen waren ‑ in diesen Fonds überführt werden. Dieser Fonds hat den Vorteil, dass er eine festgelegte Zahl von Zwecken hat, für die das Geld ausgegeben wird, und er unterliegt nicht der Annuität, der Jährlichkeit, des üblichen Haushalts. Das heißt, es ist möglich, dass wir Berechenbarkeit und Verlässlichkeit in den finanziellen Zusagen erreichen.

Alle diese Fragen drücken aus, dass nach unserem Verständnis die Befriedung in der Frage der Kernenergienutzung dazu führt, dass Deutschland die Kräfte bündelt, um ein neues Wachstumsprojekt zu realisieren, ein Gemeinschaftswerk, wie es die Ethikkommission zutreffend genannt hat. Dafür braucht man die Kommunen, die Länder, den Bund; die gesellschaftlichen Gruppierungen müssen europäisch integriert sein, aber es ist ein großes nationales Projekt, für das mit diesem Konzept die Grundlage gelegt ist. Wir wollen diesen Konsens, weil er ein Teil des Erfolges ist. Wir reichen jedenfalls die Hand und hoffen, dass sie ergriffen wird.

BM DR. RAMSAUER: Frau Bundeskanzlerin, meine sehr geehrten Damen und Herren, als wir das letzte Mal hier an dieser Stelle und in dieser Runde zusammen waren, habe ich Ihnen eine sehr wichtige Zahl genannt. Ich möchte sie noch einmal an den Ausgangspunkt meiner Darlegungen stellen. Etwa 70 Prozent des gesamten Primärenergiebedarfs werden im Bereich von Verkehr und im Bereich der Gebäude eingesetzt. Das zeigt schon, welch riesiges Potenzial in den Bereichen Verkehr und Bau und damit in meiner Ressortzuständigkeit liegt.

Im Grunde genommen sind es drei wesentliche Punkte, die ich Ihnen vorzutragen habe und die im Bereich unseres Energiekonzepts in mein Haus hineinreichen.

Der erste Punkt ist das CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Wir haben seit Bestehen dieses Programms, seit dem Jahr 2006, erhebliche Energieeinsparerfolge erzielt. Um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben: Pro Jahr wurden etwas mehr als 4 Millionen Tonnen CO2 eingespart. Wenn Sie das über die fünfeinhalb Jahre hochrechnen, so hat allein dieses CO2-Gebäudesanierungsprogramm über die Jahre kumuliert schon 20 Millionen Tonnen bis 25 Millionen Tonnen CO2-Einsparung erbracht.

Ich freue mich sehr, dass nach den Verunsicherungen der Haushaltsverhandlungen der letzten Jahre ‑ obwohl sie in der Frage der Dotierung der CO2-Gebäudesanierung immer einigermaßen vernünftig geendet haben ‑ nunmehr in den kommenden Jahren eine verlässliche Summe von jährlich 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung steht. Ich habe immer darauf hingewiesen, dass wir hier eine Verstetigung brauchen; denn auf den Bereich der CO2-Gebäudesanierung haben sich ganz neue Wirtschaftszweige spezialisiert. Diese kann man nicht ein Jahr hoch-, dann wieder herunter- und dann wieder hochfahren. Das braucht Kontinuität.

Wir liegen mit diesen 1,5 Milliarden Euro pro Jahr höher als im Durchschnitt der Jahre seit 2006. In dieser Zeit waren es im Durchschnitt gut 1 Milliarde Euro jährlich. Dadurch sichern wir die CO2-Gebäudesanierung nicht nur, sondern wir verleihen ihr zusätzlichen Schwung.

Der zweite Punkt betrifft die Ertüchtigung der bestehenden Windkraftanlagen, der Ertüchtigung der Windkraft. Sie kennen bisher dafür den Begriff des Repowering. Das heißt, dass bestehende Windkraftanlagen durch zahlenmäßig weniger, aber dafür stärkere ersetzt werden. Als die Regierung Kohl im Jahr 1991 das Stromeinspeisungsgesetz verabschiedet hat, begann der Bau von Windkraftanlagen. Aus dieser Zeit gibt es noch viele Anlagen im Bereich von einem halben Megawatt, von einem Megawatt, von 1,5 Megawatt. Wir können diese ertüchtigen, das heißt diese bestehenden alten durch weniger neue ersetzen. Das dient im Übrigen auch der Akzeptanz bei der Bevölkerung; denn mancherorts wird über ‑ das ist nicht mein Begriff, aber häufig wird er gebraucht ‑ die Verspargelung der Landschaft geklagt. Wenn weniger, aber stärkere solche Anlagen bei uns stehen, dann dient das auch der Akzeptanz. Wir werden entsprechende Änderungen im Baugesetzbuch vornehmen. Das heißt, wir schaffen mehr Rechtssicherheit beim Rückbau bestehender Anlagen und beim Ausweisen neuer Flächen.

Der dritte Bereich betrifft das Bauplanungsrecht insgesamt. Ich habe ohnehin seit eineinhalb Jahren an einer umfassenden Baurechtsnovelle gearbeitet. Die energierelevanten Bestandteile ziehen wir jetzt heraus und ziehen diese vor. Wir kleiden dies in ein Gesetz zur Stärkung der klimagerechten Entwicklung in den Städten und Gemeinden. Das betrifft beispielsweise die Genehmigungserleichterung für Fotovoltaikanlagen an oder auf Gebäuden.

Im Übrigen haben wir ‑ das gehört auch noch hierher ‑ bereits im Kabinett ein sogenanntes Erstes Gesetz zur Änderung schifffahrtsrechtlicher Vorschriften beschlossen. Das hat nicht unmittelbar mit der Schifffahrt zu tun, aber in diesem Gesetz ist geregelt, wie Offshore-Windkraftanlagen genehmigt werden. Sie werden bisher von einer Fülle von Behörden genehmigt. Das wird jetzt beim BSH, beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, gebündelt. Das ist eine erhebliche bürokratische Erleichterung beim Ausbau der Offshore-Windkraft.

FRAGE: Herr Röttgen, inwieweit können nach diesen Beschlüssen Reststrommengen übertragen werden?

Sie sagten, bis spätestens 2021 seien die sechs nächstältesten Atommeiler vom Netz und bis spätestens 2022 die restlichen. Haben Sie eine Vorstellung davon, ob dann alle auf einen Schlag zu den jeweiligen Endzeitpunkten vom Netz gehen oder wie sich das bis dahin vielleicht schrittweise vollzieht?

BM DR. RÖTTGEN: Die Regelung, die wir vorschlagen und vorsehen, sieht vor, dass wir die Strommenge von einem 32-jährigen Betrieb der Kernkraftwerke zugrundelegen, inklusive der Strommengen des Kernkraftwerks Krümmel und der Strommengen, die Teil des Stilllegungsvergleiches für Mülheim-Kärlich waren. Das ist also eine Strommenge, die dem Betrieb von 32 Jahren entspricht. Diese Strommenge steht nun den Kernkraftwerksbetreibern für den Zeitraum bis 2021 bzw. bis 2022 für den Weiterbetrieb der neuen Kernkraftwerke zur Verfügung.

Darum wird es auch zu Strommengenübertragungen kommen, aber eben im Unterschied zur bisherigen Gesetzgebung und Gesetzgebungssystematik nicht mit der Wirkung, dass dadurch der Endzeitpunkt hinausgezögert werden könnte. Dass es keinen Endzeitpunkt gab, ist ja das bisherige Konzept von Strommengenübertragung. Eine vorhandene Strommenge konnte theoretisch auf wenige Kernkraftwerke übertragen werden, mit der Folge, dass der Betrieb eines Kernkraftwerkes über Jahre hinausgeschoben wird. Das ist nun anders. Die sechs Kernkraftwerke müssen ihren Betrieb Ende 2021 einstellen, die drei verbleibenden Ende 2022, und es gibt keine über diese Zeitpunkte hinausreichende Strommengenübertragung. Innerhalb des Zeitraums kann übertragen werden. Dann wird sich zwangsläufig aus dem Alter der Kernkraftwerke ein gestaffeltes Vom-Netz-Gehen ergeben.

ZUSATZFRAGE: Sie haben also noch keine weiteren Stufen eingeführt?

BM DR. RÖTTGEN: Nein. Wir haben auch noch nicht festgelegt, wie wir das genau ausgestalten. Das werden wir jetzt natürlich tun; heute haben die Arbeiten dazu begonnen. Ich denke aber, dass das im Kern darin besteht, dass die Kernkraftwerksbetreiber die Strommengen, die sie haben, innerhalb dieses Zeitraums zwischen den einzelnen Kernkraftwerken übertragen können ‑ wie gesagt mit der Besonderheit, dass die drei jüngsten, modernsten Kraftwerke ein Jahr länger laufen können, dann aber auch vom Netz gehen müssen.

FRAGE: Herr Röttgen, eine der Maßnahmen, die aus der letzten Nacht bekanntgeworden sind, ist das Kraftwerk für die sogenannte kalte Reserve. Muss dieses Kraftwerk ‑ das ja dann eines der sieben ältesten sein soll, wenn ich das richtig verstanden habe ‑ vorher die Nachrüstung erfahren, die aus dem Katalog der Reaktorsicherheitskommission bekannt wurde, um als Kaltreserve überhaupt infrage zu kommen?

BM DR. RÖTTGEN: Das ist ja eine sehr spezielle Frage. Ich kann sie zunächst einmal im Allgemeinen beantworten: Das bestehende Nachrüstprogramm und übrigens auch das, was wir an neuen und dynamischen neuen Vorschriften in das Atomgesetz aufgenommen haben, stand gar nicht zur Diskussion, sondern das ist so, das bleibt so und das wird abgearbeitet. Es wird in den zehn Jahren keine Politik geben und keinen Verwaltungsvollzug nach der Maßgabe geben: "Das Ende ist ja absehbar, also gibt es einen Sicherheitsrabatt". Den wird es nicht geben. Vielmehr ist Sicherheit die Bedingung des Betriebs bis zur letzten Stunde.

Ob es überhaupt zu dieser Reservefunktion kommt, ist noch offen, aber die Angaben der Bundesnetzagentur müssen selbstverständlich ernstgenommen werden. Diese Frage muss man durch Faktenerhebung noch weiter erhärten, insbesondere im Hinblick auf die Frage: "Welche fossilen Reservekapazitäten stehen zur Verfügung?". Das sagt auch die Bundesnetzagentur selber. Falls es überhaupt notwendig sein sollte, wäre es die Aufgabe der Bundesnetzagentur, das zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität notwendige Kernkraftwerk zu bestimmen. Darum muss auch bei den dafür geeigneten Kernkraftwerken selbstverständlich die Sicherheit gewährleistet sein.

BK'IN DR. MERKEL: Das Kernkraftwerk bräuchte dann ja auch eine Betriebsgenehmigung.

BM DR. RÖTTGEN: Ja, klar.

BK'IN DR. MERKEL: Ich will eines noch einmal deutlich machen: Wir haben die Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass es zu keinem Zeitpunkt einen Blackout in Deutschland gibt. Die Behörde, die uns dafür die sachlichen Angaben machen kann, ist die Bundesnetzagentur. Die Bundesnetzagentur hat uns am Freitag einen Bericht übergeben, nach dem sie nicht für alle Wintertage ‑ nach dem Stand von Freitag ‑ sicherstellen kann, dass insbesondere im südlichen Bereich Deutschlands ausreichend Reserven da sind, um die Netzstabilität unter allen denkbaren Witterungsbedingungen zu garantieren.

Wir haben durch Fukushima gelernt, dass wir mit Risiken anders umgehen müssen. Das heißt, wir können mit dem Risiko eines Blackouts jetzt auch nicht so umgehen, dass wir hoffen, dass das schon nicht passieren wird, sondern wir müssen das sorgsam machen; denn der Schaden für das Land wäre im Falle eines solchen Blackouts beträchtlich. Wir würden es bevorzugen, wenn sich Kaltreserven finden, die nicht aus dem Bereich der Kernenergie, sondern aus dem fossilen Bereich kommen. Deshalb haben wir die Netzagentur auch gebeten, das primär zu prüfen. Nur, wenn es keine andere Möglichkeit gäbe, würden wir die Netzagentur bitten, ein solches Kernkraftwerk herauszusuchen. Dann verlassen wir uns aber auch auf die Hinweise der Bundesnetzagentur dafür.

Um ganz deutlich zu dokumentieren, dass das kein Hintertürchen ist, haben wir gesagt: Das gilt nur für zwei Jahre, also nur für zwei Winter. Wir haben außerdem deutlich gemacht und werden das auch im Atomgesetz deutlich, dass alle sieben ältesten Kraftwerke aus der Leistungserbringung ausscheiden. Das heißt, eine Betriebsgenehmigung kann es überhaupt nur noch geben, wenn die Netzagentur, wie sie das darf, anweist, dass zur Sicherung der Netzstabilität eine zusätzliche Kapazität nötig ist.

BM DR. RÖTTGEN: Das Recht zur kommerziellen Leistungserbringung erlischt, und (diese Bereitstellung einer Reserve) wäre gewissermaßen eine Inanspruchnahme einer Kapazität im öffentlichen Interesse, nämlich für die Netzstabilität ‑ falls es unausweichlich sein sollte, die vorhergehenden Möglichkeiten nicht bestehen und die Notwendigkeit da ist.

FRAGE: Anknüpfend an die kalte Reserve ‑ ich weiß nicht, wer das beantworten kann, Herr Röttgen oder Herr Rösler ‑: Wer zahlt denn die Kosten für diese Stand-by-Lösung? Muss das das Unternehmen übernehmen oder wird das von anderen getragen?

Frau Bundeskanzlerin, Sie haben ja auf den beschleunigten Ausbau der Netze hingewiesen. Sind Sie bereit, dieses Gesetz notfalls auch gegen den Widerstand der Bundesländer ‑ Sie treffen sich ja noch mit den Ministerpräsidenten ‑ zu beschließen? Offenbar gibt es die Rechtsauffassung, dass das theoretisch auch ohne Zustimmung des Bundesrates ginge.

BK'IN DR. MERKEL: Es geht in Form eines zustimmungsfreien Gesetzes, das heißt, eines Einspruchsgesetzes. Ein solches Einspruchsgesetz wird nicht am Bundesrat vorbei verabschiedet, sondern ein solches Einspruchsgesetz wird im Bundesrat natürlich behandelt. Es bedarf einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Länder, um dieses Gesetz zu Fall zu bringen, und nicht nur eine einfache Mehrheit. Wenn also gesagt wird, wir wollten etwas am Bundesrat vorbei machen, möchte ich dazu sagen: In Deutschland kann man am Bundesrat vorbei kein einziges Gesetz beschließen.

Zweitens. Wir waren selbst überrascht, dass dieses Netzausbaugesetz zustimmungsfrei ist, aber die Verfassungsressorts sagen uns dies übereinstimmend.

Drittens. Wenn wir den Netzausbau beschleunigen wollen, brauchen wir einen Geist der Kooperation zwischen Bund und Ländern. Das heißt, wir werden die Diskussion mit den Ländern so führen, dass wir um ihre Zustimmung werben, und werden es nicht darauf anlegen, dass die Länder in Totalopposition gegen unseren Versuch, die Netze schneller auszubauen, arbeiten; denn dann würden wir auch nicht vorankommen. Insofern ist das ein absolut kooperativer Angang. Deshalb trifft der Chef des Kanzleramtes am Mittwoch die Chefs der Staatskanzleien, auch zur Vorbereitung des Treffens mit den Ministerpräsidenten, das wir am Freitag haben werden. Wir werden sehr darauf achten, dass wir eine gemeinsame Linie mit den Ländern finden. Deshalb ist es sehr wichtig, diesen kooperativen Geist auch wirklich deutlich zu machen. Deshalb habe ich das hier noch einmal unterstrichen.

BM DR. RÖSLER: Vielleicht kann ich Ihre Frage zum Thema der Kosten der Reserve beantworten. Es wurde schon angesprochen, dass die Bundesnetzagentur deutlich gemacht hat, dass sie nicht (ausschließen) kann, (dass) in den nächsten ‑ insbesondere den nächsten beiden ‑ Wintern Reserven zur Netzstabilisierung notwendig sind. Zum Umfang: Das wären ungefähr 1.000 Megawatt. Bisher haben wir im konventionellen Bereich ungefähr 300 Megawatt, das heißt, es gibt eine gewisse Lücke. Da war die Überlegung, diese Lücke über Reserven aus den stillgelegten und vom Netz gegangenen Kraftwerken selber zu decken. In welchem Umfang, in welchem Zustand sich die Kraftwerke befinden, muss zunächst einmal geklärt werden. Das ist jetzt Aufgabe der Fachbehörde, also der Bundesnetzagentur. Davon hängt natürlich eins zu eins auch die Kostensituation ab.

Unabhängig von den eigentlichen Größenordnungen ist klar: Diese Maßnahme dient zur Stabilisierung des Netzes und ist am Ende von den Netzbetreibern zu tragen. Das gilt im Übrigen auch in anderen Bereichen, zum Beispiel bei den Kaltreserven im konventionellen Kraftwerksbereich. Auch dort dient diese Kaltreserve zur Sicherheit, zur Netzstabilisierung, und dort sind die Kosten ebenfalls vom Netzbetreiber selber zu tragen.

FRAGE: Herr Röttgen, wenn ich Sie richtig verstanden habe, gibt es keinen stufenweisen Abschaltplan für die verbleibenden neuen Kraftwerke. Heißt das, alle diese Kraftwerke werden irgendwann in 2021 auf einmal vom Netz gehen?

BM DR. RÖTTGEN: Nein. Zunächst einmal muss ich sagen: Wir haben das gesetzestechnisch noch nicht im Einzelnen umgesetzt und umgewandelt. (Dass alle Kraftwerke gleichzeitig vom Netz gehen), wird deshalb nicht der Fall sein, weil die Strommengen nicht ausreichen, um alle neuen Kernkraftwerke bis zu den Endzeitpunkten 2021 bzw. 2022 zu führen. Ich sagte ja, dass 32 Jahre Laufzeit zugrundegelegt worden sind. Manche bzw. die meisten dieser Kernkraftwerke haben ihr Laufzeitende nach 32 Jahren deutlich früher als 2021 und 2022. Hinzu kommen aber noch die Strommengen aus Mülheim-Kärlich und Krümmel, sodass sich aus den nach 32 Jahren endenden Laufzeiten ‑ das fängt circa 2014 bei Grafenrheinfeld an und geht bei anderen dann Jahr für Jahr hoch ‑ Verlängerungen ergeben. Das wird aber eben nicht 2021, sondern bis zu einem Zeitpunkt vor 2021 sukzessive auslaufen.

BK'IN DR. MERKEL: Am Montag werden wir die Novelle des Atomgesetzes im Kabinett haben. In dieser Novelle des Atomgesetzes wird dann zugeordnet werden bzw. bis dahin wird besprochen werden, wie die verschiedenen Kraftwerke bedient werden. Dabei müssen ja auch noch ein paar eigentumsrechtliche Fragen beachtet werden usw., zum Beispiel auch die Frage, wem die Strommengen von Krümmel eigentumsrechtlich gehören, wie man damit verfährt und ähnliches. Das heißt also, das wird eine Kaskade von Abschaltungen sein und nicht an zwei Tagen geschehen.

FRAGE: Heute morgen hat Professor Töpfer in der Bundespressekonferenz noch einmal sehr deutlich gemacht, dass der Zehn-Jahres-Zeitraum das Maximum sei, man könne aber auch schneller aussteigen, wenn man das so wolle. Ich würde gerne noch einmal hören, warum sie sich für die längere Variante entschieden haben.

Die zweite Frage: Sie haben im September von einer Revolution in der Energiepolitik gesprochen. Womit haben wir es jetzt zu tun?

BK'IN DR. MERKEL: Die Revolution bezog sich auf das Zeitalter der erneuerbaren Energien und den Weg zur Erreichung dieses Zeitalters. Wir haben jetzt das entsprechende Ziel des Energiekonzepts (vom Herbst letzten Jahres), also die Verdopplung des Anteils der erneuerbaren Energien bis zum Jahre 2020, übernommen, und haben diesen Teil des Energiekonzepts sozusagen eins zu eins in unser jetziges Energiekonzept eingebaut. Der Unterschied ist, dass wir die sieben ältesten Kernkraftwerke jetzt sehr schnell vom Netz nehmen und dass wir insgesamt schneller aus der Kernenergie aussteigen, dass wir dafür aber mehr Zubau an fossilen Energieträgern brauchen ‑ sprich zum Beispiel Gaskraftwerke und Ähnliches. Auch mit Blick auf unsere Energieszenarien, die wir berechnet haben, müssen wir jetzt ambitionierter vorangehen, zum Beispiel was die Erreichbarkeit einer Reduktion der CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2020 anbelangt. Wir haben dabei also keine Reserven mehr.
Das hat uns dazu geführt, zu sagen: Mit der Art, wie Netzausbau in Deutschland im Augenblick betrieben wird, mit der Art, wie Repowering betrieben wird, wird das nicht zu schaffen sein. Deshalb nehmen wir genau in diesen Bereichen eine Beschleunigung vor, genauso wie wir versuchen, den Kraftwerksneubau zu beschleunigen, um da wirklich auf der sicheren Seite zu sein. Die Zielausrichtung der Erreichung des Zeitalters der erneuerbaren und die verschiedenen Stufen sind aber eins zu eins wieder eingeflossen. Das war das Revolutionäre an diesem Konzept. Hinzu kommt eben der schnellere Ausstieg aus der Kernenergie insgesamt.

Zu Ihrer ersten Frage: Wir haben uns sehr gut überlegt, wie die Ersatzkapazitäten geschaffen werden können, wie der Netzausbau stattfinden kann und wie das mit den Reststrommengen von Krümmel und Mülheim-Kärlich aussieht, und haben uns für die Variante entschieden, dass wir es auch als ein Jahrzehnt empfinden, wenn wir sagen: Bis Ende 2022. Wir haben allerdings sehr genau festgelegt ‑ der Umweltminister hat darauf hingewiesen ‑, dass nur die drei neuesten Kernkraftwerke ‑ und damit auch die Kernkraftwerke mit dem höchsten Sicherheitsstandard ‑ im Jahre 2022 noch laufen werden. Insofern glauben wir, dass die Philosophie, dass Sicherheit das Wichtigste ist, auch in der Abwägung, wie lange das laufen kann, eine Rolle gespielt hat.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, international wird der deutsche Beschluss mit großem Interesse und manchmal auch mit Kopfschütteln verfolgt. Sehen Sie in diesem deutschen Beschluss ein Modell, dem andere Länder folgen könnten? Was für Auswirkungen hat das insbesondere auf die Beziehungen zu den Nachbarländern, wo jenseits der deutschen Grenze ja noch relativ viele Atomkraftwerke stehen?

BK'IN DR. MERKEL: Wir haben in Europa eine sehr unterschiedliche Situation. Unser Nachbar Frankreich zum Beispiel bezieht 80 Prozent seines Stroms auf der Basis von Kernenergie. Was wir erreicht haben, ist, dass alle europäischen Kernkraftwerke jetzt einem Stresstest unterzogen werden. Das heißt, wir nähern uns auch einer besser vergleichbaren Sicherheitsstruktur an. Die Herangehensweise ist aber unterschiedlich.

Es ist richtig, dass dieser Beschluss außerhalb Deutschlands sehr interessiert verfolgt wird. Die Mitglieder der Ethikkommission haben uns erzählt, dass sie unglaublich viele Nachfragen aus anderen Ländern haben, in denen jetzt gefragt wird: "Wie macht ihr das?". Insofern wird darauf sicherlich ein Blick geworfen. Wir glauben, dass wir den Ländern, die sich entscheiden, entweder aus der Kernenergie auszusteigen oder gar nicht erst einzusteigen, zeigen können, dass Wachstum, Arbeitsplätze, wirtschaftliche Prosperität und eine Energieversorgung in Richtung von erneuerbaren Energien zusammengehen. Das ist unser eigentlicher Punkt. Wir kommen hier zu einer neuen Form von Wachstumsmöglichkeiten. Das ist heute noch einmal deutlich gemacht worden: Die Afrikanische Union zum Beispiel hat sich entschieden, im Wesentlichen ohne Kernenergie bzw. ohne den Neubau von Kernkraftwerken auszukommen. Gerade für diese afrikanischen Länder könnte das insofern ein interessantes Modell sein, aber genauso auch für europäische Länder, die sich anders entscheiden.

Wir glauben außerdem, dass wir sehr gute Exportchancen haben werden, denn der Druck, sich mit den Fragen der erneuerbaren Energien zu befassen, nimmt jetzt zu. Sie müssen sehen: Irgendwann schlagen Quantitäten ja auch in Qualitäten um. Wenn Sie vier Prozent Strom aus erneuerbaren Energien haben, dann fällt es nicht sonderlich auf, wenn Sie etwas am Einspeisegesetz ändern. Wenn Sie einen Anteil von 17 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien haben, dann merken Sie schon, was für Wirkungen das hat. Bei 35 Prozent müssen Sie Marktkonformität auch im Bereich der erneuerbaren Energien in gewisser Weise einführen. Und wenn Sie einmal 50 Prozent haben, dann wird das überhaupt nicht mehr anders gehen; denn sonst hätten Sie eben riesige Amplituden und ansonsten nur noch Grundlastkraftwerke, die teilweise stillstehen.

Das heißt, wir lernen bei der Erzeugung der erneuerbaren Energien auch sehr viel, und zwar sowohl von der Rechtstechnik her als auch von der Fördertechnik und von der Vernetzung her. Es wird jetzt immer mehr Kombinationen geben, also zum Beispiel, dass man Windkraft mit Biomasse und anderen Formen (erneuerbarer Energieerzeugung) vernetzt und daran dann auch Speichertechnologien anschließt, um quasi eine dauerhafte Betriebsbereitschaft auch von erneuerbaren Energien zu erzeugen. Das heißt, zu den einzelnen Fähigkeit, ein Windkraftwerk oder eine Biogasanlage zu bauen, werden Komplexe Fähigkeiten hinzukommen, die wir mit Sicherheit auch gut in anderen Ländern vermarkten können. Das, glauben wir, ist ein großer Gewinn für uns.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, der Ausstiegsbeschluss von Rot-Grün zielte auf das Jahr 2022. Ist das jetzt für Sie eine politische Niederlage oder einfach Ironie der Geschichte?

BK’IN DR. MERKEL: Die Systematik des rot-grünen Ausstiegsbeschlusses war erstens eine ganz andere. Dort hat man sozusagen mit Rechtssicherheit bestimmte Strommengen zugeordnet. Das heißt, es war ein rollender Ausstieg. Wir haben jetzt schon festgestellt, dass viele der erwarteten Strommengen noch gar nicht von den Kernkraftwerken abgeflossen waren. Das heißt, der Ausstieg hätte sehr viel später stattgefunden. Das nur zur Rechtstechnik. Wir kommen jetzt zu einem festen Ausstiegsdatum.

Das, was für uns interessant ist, was wichtig ist und was vorher von niemandem geleistet wurde, ist, dass wir beschreiben können, wie wir den Weg dahin schaffen. Sie sehen an der Gruppe von Gesetzen, die wir nächste Woche im Kabinett behandeln werden, dass für diesen Weg noch viel zu tun ist und auch rechtliche Grundlagen zu schaffen sind. Diese Beschreibbarkeit, dass wir nicht die Versorgungssicherheit verlieren, dass wir nicht importieren müssen und nicht sagen, dass das nicht mehr für die Menschen bezahlbar ist und wir uns um die energieintensive Industrie kümmern, ist das qualitativ Neue.

Wir haben wir uns jetzt für ein Ausstiegsdatum entschieden. Ob das dem Beschluss von Rot-Grün nun ähnlich oder unähnlich ist, ist für mich kein Punkt. Wir haben gesagt: Wir wollen es schnellstmöglich machen. Wir haben gesehen, dass wir das mit dem heute vorhandenen Rechtsinstrumentarium nicht schaffen werden. Das heißt: Die Machbarkeit, die Realisierbarkeit und damit auch die Akzeptanz für Wirtschaft und Bürger werden durch unser Konzept aus meiner Sicht sehr verbessert.

FRAGE: Sie haben viel von dem Gesetzespakt und den Ausbau der erneuerbaren Energien gesprochen. Ich habe vermisst, dass etwas zum Erneuerbare-Energien-Gesetz gesagt wurde, was ja immer noch nach Aussage des BMU die Grundlage ist. Wird im Rahmen dieses ganzen Pakets ‑ es gibt ja einen Referentenentwurf ‑ auch das EEG mit abgestimmt? Oder wird es nur Eckpunkte geben? Wie ist genau der Zeitplan? Ist es denkbar, dass auch bestimmte Dinge auf den Herbst verlagert werden?

BM DR. RÖTTGEN: Das EEG und die Novelle des EEG sind Teil dieses Gesetzgebungspaketes ‑ da haben Sie völlig Recht ‑, weil es ein elementarer Teil des Einstiegs ist. Neben der Energieeffizienz ist die Ersetzung insbesondere von Kernenergie durch erneuerbare Energien der Weg, dies zu verwirklichen. Darum gehört das dazu.

Ich habe eben einige Elemente des EEG erwähnt, das Teil des Kabinettsbeschlusses am 6. Juni sein wird und dann in die parlamentarische Beratung geht. Ich habe davon gesprochen, dass wir schrittweise die Marktorientierung durch Einführung einer Marktprämie erreichen. Ich habe davon gesprochen, dass wir die Ausgleichsregelung für stromintensive Unternehmen verändern werden, die Teil des EEG ist. Wir haben uns auch darauf verständigt, bei der Fotovoltaik zwei Änderungen vorzunehmen. Das ist zum einen eine Ausweitung von Flächen, auf denen Fotovoltaik zusätzlich gefördert werden soll, nämlich auch auf solchen Konversionsflächen, die FFH-Gebiete sind ‑ also nicht in FFH-Gebieten generell, sondern auf militärischen oder industriellen Konversionsflächen, die auf stark beanspruchte Flächen sind. Zum Ausgleich diskutieren wir zwischen den Ressorts, dass es zu dem Volumenausbau, der dazu kommt, noch einmal im nächsten Jahr möglicherweise einen weiteren einmaligen Degressionsschritt von 6 Prozent zum 1. März des nächsten Jahres geben soll.
Wir haben bei der Biomasse noch einmal eine Veränderung zum Referentenentwurf vorgenommen. Wir wollen kleine Hofanlagen, die insbesondere auch zur Gülleverwertung dienen, besonders fördern, um die Dezentralität in diesem Bereich zu realisieren. Wir werden bei den großen Biogasanlagen noch einmal mit der Vergütung von 6 auf 5 Cent heruntergehen. Sie sehen also, dass wir dort schon relativ effiziente Zahlen realisieren können.

Wir sehen vor, dass ab 2014 diese großen Anlagen, die auch eine Speicherfunktion haben ‑ Biomasse und Biogasanlagen sind neben der Wasserkraft die bislang einzig wirklich relevant speicherfähigen erneuerbaren Energien ‑, zwingend und vorgeschrieben obligatorisch in die Marktverwertung gehen sollen. Sie sollen also keine feste Vergütung, sondern eine Marktvergütung erhalten.

Das waren die wesentlichen Punkte aus dem Bereich. Es mag noch ein paar andere Punkte geben, aber das sind die wichtigsten.

FRAGE: Herr Röttgen, Sie sprachen von einer Endlagersuche insbesondere von Gorleben. Sie sagten, es gebe eine ergebnisoffene Prüfung. Sie haben gesagt, dass noch andere geologische Formationen geprüft werden. Diese Formulierung hört man immer wieder. Heißt das, dass es eine neue ergebnisoffene Endlagersuche auch zum Beispiel im schönen Bayern gibt?

BM DR. RÖTTGEN: Das, was wir neben der Fortführung vorschlagen, ist, dass wir ein Verfahren finden, um uns darauf zu verständigen, nach welchen Kriterien und unter wessen Beteiligung geologische Formationen untersucht und bewertet werden sollen. Wer macht das wann, wie und mit welcher Verbindlichkeit? Neben dieser Bewertung von geologischen Formationen wollen wir auch die Diskussion und die Abwägung führen, ob es auch andere Entsorgungsoptionen gibt. Das ist auch die Option unterirdische oder oberirdische Lagerungen. In den USA gibt es diesen Trend, dauerhafter und längerfristiger oberirdisch zu lagern. Das ist kein Präjudiz und keine Festlegung für irgendetwas. Wenn man das Thema öffnen und einen Konsens haben möchte, muss man auch die Fragestellung, die in der Sache vorhanden ist, partei- und gesellschaftsgruppenübergreifend neu aufgreifen. Das soll geschehen.

Ich kann keine Ergebnisse eines solchen Verfahrens vorwegnehmen, weil es dann zu einer Bewertung von geologischen Formationen in einem solchen Verfahren kommen soll. Das kann ich heute nicht vorweg beantworten, sondern das muss ja gerade bewertet werden. Ich kann Ihnen leider nicht sagen, wie man Ton und Salz bewertet. Das muss dann in einem Verfahren ermittelt werden.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gesagt, dass der Atomausstieg eine Herausforderung ist. Welche Herausforderungen müssen die normalen Bürger in Deutschland in diesem Zusammenhang hinnehmen?

Zweitens. Ich habe von französischen Wirtschaftsverbänden Kritik vernommen. Wann wird Deutschland nicht mehr von Stromimporten aus Frankreich abhängig sein?

BK’IN DR. MERKEL: Wir haben gesagt, dass wir den Nettobedarf unserer Stromversorgung selber erzeugen wollen. Wir sind Teil des europäischen Energiemarktes. Das heißt, es gibt immer Stromflüsse, die hin- und hergehen. Aber die Erzeugungskapazität für unseren zu gebrauchenden Strom wollen wir selbst schaffen. Es gibt immer unterschiedliche Zeiten: Mal haben wir zum Beispiel sehr viel Wind, und dann ist Frankreich froh, wenn es zum Beispiel sehr heiß ist und die Wasserkühlung in den Atomkraftwerken sehr schlecht funktioniert. Jeder ist also auf jeden im europäischen Markt angewiesen. Wir wollen den europäischen Markt verbessern.

Zweitens. Was die Herausforderungen anbelangt, so ist es so, dass es das Erneuerbare-Energien-Gesetz gibt und heute eine sogenannte Umlage in diesem Erneuerbare-Energien-Gesetz von etwa 3,5 Cent pro Kilowattstunde festgeschrieben ist. Das heißt, dass auf jede erzeugte Kilowattstunde 3,5 Cent auf den Strompreis aufgeschlagen werden, außer auf die von dieser Umlage ausgenommen energieintensiven Unternehmungen.

Wir wollen im Großen und Ganzen diesen Bereich konstant halten. Wir wollen durch mehr Marktförmigkeit in der zukünftigen Förderung sicherstellen, dass die Größenordnung von 3,5 Cent nicht überschritten wird. Es werden sicherlich noch gewisse Kosten durch den Neubau der Netze entstehen, weil dort vergleichsweise viel passieren muss. Ich kann sagen, wenn man sich in der Vergangenheit die Strompreissteigerungen angeschaut hat, dass das aus meiner Sicht Kosten sind, die durchaus im Rahmen liegen und dass ich Bereiche kenne, in denen die Preissteigerungen noch größer sind. Wir haben viele Preissteigerungen im Abfall- und Abwasserbereich usw. Ich glaube, das ist gemessen an der Größe der Aufgaben vertretbar.

Ein Bereich, in dem wir wirklich aufpassen müssen ‑ und das muss innerhalb Europas geklärt werden ‑, ist der Bereich der energieintensiven Industrie, denn diese liegt in einem globalen Wettbewerb. Da zählt jeder halbe Cent schon sehr, sehr stark.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, Sie hatten angekündigt, dass Sie auch den Konsens mit der Opposition suchen, und hatten gestern auch SPD und GRÜNE eingeladen. Sind Sie nach den Gesprächen, die gestern Abend stattgefunden haben, und den Reaktionen heute immer noch optimistisch, dass es gelingen kann, einen parteiübergreifenden Konsens zu finden?

Herr Raumsauer, eine Frage an Sie, weil Sie die Gebäudesanierung angesprochen haben: Halten Sie die Veränderung des Mietrechts, indem man Mieter an den Kosten beteiligt, um die Gebäudesanierung weiter zu forcieren, für ein wichtiges und geeignetes Mittel?

BK’IN DR. MERKEL: Durch unsere Gespräche mit der Opposition haben wir deutlich gemacht: Wir sind an einem solchen Konsens, zumindest, wenn er sich ergibt, interessiert. Wir können unsere Entscheidungen auch als Regierungsmehrheit treffen. Das ist keine Frage. Aber dieses Thema aus den gesellschaftlichen Streitigkeiten weiter herauszuhalten, als das bisher der Fall war, ist, glaube ich, von großem Wert, im Übrigen auch für die Wirtschaft, die nämlich dann Investitionssicherheit hätte. Es ist auch ein ganz wichtiger Punkt, dass nicht zu jeder Bundestagswahl wieder eine größere Auseinandersetzung um die Frage entbrennt, wie die Energieversorgung der nächsten vier Jahre aussieht.

Die Äußerungen, die ich heute höre, sind nicht niederschmetternd, würde ich sagen, sondern durchaus abgewogen, abwartend. Insofern schauen wir jetzt einmal. Die Papiere liegen vor. Wir sind zu allen Informationen bereit. Wir sind offen und werden jetzt zunächst den Verlauf der weiteren Ereignisse abwarten. Wir werden dann sehr konkrete Gesetzgebungsverfahren im Deutschen Bundestag haben, wir werden die Gesetzgebungsverfahren im Bundesrat haben. Ich habe Ihnen gesagt, dass wir zum Beispiel beim Netzausbaugesetz eine Mehrheit der Länder suchen, auch wenn wir sie formal gar nicht brauchen. An der Bundesregierung und an den Parlamentsfraktionen, die diese Regierung tragen, soll es nicht liegen, dass wir in irgendeiner Weise einen konfrontativen Kurs fahren. Den Rest muss dann jeder für sich entscheiden.

BM DR. RAMSAUER: Ich darf kurz zum Bereich des Mietrechts ergänzen. Wir arbeiten schon seit einiger Zeit an einer größeren Novelle des Mietrechts. Wenn ich "wir" sage, dann meine ich nicht nur mein Haus, sondern, was die Federführung anbelangt, das Justizministerium; aber mein Haus arbeitet hier natürlich in der materiellen Betroffenheit zu.

Ein großer Aspekt ist die Frage der Überwälzbarkeit von Kosten, die durch energetische Gebäudesanierung entstehen. Ein weiterer Aspekt wäre zum Beispiel die Bekämpfung von Mietnomadentum. Wir sind uns in den Gesprächen einig ‑ Frau Bundeskanzlerin, bei einem unserer Gespräch, die wir hier im Hause mit den gesellschaftlichen Gruppen geführt haben, war auch der Präsident des Deutschen Mieterbundes dabei ‑, dass es ohne eine solche Abwälzbarkeit von energiesanierungsbedingten Kosten nicht gehen wird. Man muss auch sehen, dass der Mieter, wenn ein Gebäude saniert ist, Einsparungen zu verzeichnen hat, dass dann sozusagen die Komponente der Warmmiete entsprechend für ihn sinkt.

Wir werden allerdings diese Mietrechtsnovelle nicht in dem großen Gesetzespaket mit verabschieden, das wir jetzt am kommenden Montag im Kabinett beraten werden, sondern wir werden dies dann im Laufe dieses Jahres bewältigen.

FRAGE: Sehen Sie es mir nach, dass ich noch einmal auf die Kaltreserve zu sprechen komme. Ich habe schon verstanden, dass Sie sagten, Sie hoffen, dass dieser Spitzenbedarf möglicherweise durch fossilen Träger gedeckt werden könnte, und dass noch nicht sicher ist, ob es dazu kommt. Aber wenn es dazu käme, so habe ich, glaube ich, Herrn Seehofer heute Morgen richtig verstanden, dass er kein Interesse daran hat, Isar I dafür noch einmal ans Netz zu lassen. Von Herrn Kretschmann darf man das auch nicht erwarten. Dann bliebe im Süden nur Biblis und damit ein Betreiber, der sich rechtliche Schritte gegen Ihren beschleunigten Ausstieg vorbehalten hat. Verbinden Sie, da eine solche Stromproduktion für den Eigentümer auch sehr lukrativ sein kann, damit die Hoffnung, die Streitlust oder Klagelust des Betreibers zu mindern?

BK’IN DR. MERKEL: Absolut nicht. Deshalb haben wir auch gesagt: Das entscheiden nicht wir, sondern die Netzagentur soll in Gesprächen mit den Betreibern und den Netzbetreibern entscheiden, wo es am sinnvollsten ist. Die Netzagentur kann das, wenn ich richtig informiert bin, auch in gewisser Weise zuordnen.

Die Netzstabilität ist also in ganz hohem Maße abgesichert. Insofern ist das ein sehr hohes Gut, was vielleicht auch jeder versteht. Im Winter für einige Stunden keinen Strom zu haben, ist ein größeres Ereignis und, ich würde sagen, relativ negativ behaftet. Das möchte man also im Sinne des Vorsorgeprinzips vermeiden. Deshalb sind wir wirklich verpflichtet, hierfür Sorge zu tragen. Wir können doch nicht einen Bericht der Bundesnetzagentur anfordern, in dem steht, nach jetzigem Stand könne man nicht sagen, dass man für alle Tage des Jahres die Stromversorgung sicherstellen könne, und dann sagen: Darauf reagieren wir nicht. Wir haben vielmehr die Pflicht, darauf zu reagieren, wir reagieren aber so, dass wir hier nichts politisch bestimmen, um genau diese Fragestellung zu vermeiden. Deshalb können und wollen wir hier auch nicht spekulieren. Uns ist es wie Herrn Seehofer lieber, es findet sich eine konventionelle kalte Reserve, die dafür eingesetzt werden kann.

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Ethikkommission: Atomausstieg bis 2021

"Deutschlands Energiewende – ein Gemeinschaftswerk für die Zukunft"
Pressemitteilung Bundesregierung.de

Die Kernkraftwerke in Deutschland sollen nur noch so lange laufen, bis risikoärmere Stromerzeugung ihre Leistung ersetzen kann. Die Ethikkommission "Sichere Energieversorgung" ist davon überzeugt, dass sich der Ausstieg aus der Kernenergie innerhalb eines Jahrzehntes abschließen lässt. "Wir wollen, dass der Strom sicherer wird, aber auch bezahlbar bleibt", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Entgegennahme des Berichts der Kommission.
Das Zehnjahresszenario entwerfen die Fachleute in dem Bericht, den die Bundesregierung im März in Auftrag gegeben hatte.

Der schrittweise Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie stelle eine außerordentliche Herausforderung für alle Beteiligten dar, heißt es darin. Zugleich ergebe sich jedoch eine Quelle neuer Chancen für die Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger an dezentralen Entscheidungen.

Auf 48 Seiten gibt die Kommission Empfehlungen, wie sich die Energiewende wirksam bewerkstelligen lässt. So schlagen die Expertinnen und Experten eine systematische Begleitung des Prozesses vor: mit umfassenden Analysen, Bewertungen und Handlungsempfehlungen in den verschiedenen Phasen.

"Wir werden die Empfehlungen der Ethik-Kommission als Richtschnur unseres Handelns nehmen", kündigte die Bundeskanzlerin an. In kurzer Zeit hätten die Mitglieder der Kommission einen umfangreichen Auftrg zu bewältigen gehabt, würdigte sie die Arbeit des Gremiums.

Der Ausstieg ist möglich

Der Ausstieg aus der Kernenergie sei möglich, konstatieren die Fachleute, weil risikoärmere Alternativen zur Verfügung stünden. Wissenschaft und Forschung, aktuelle technologische Entwicklungen sowie unternehmerische Initiative böten gute Voraussetzungen, den Ausstieg tatsächlich zu meistern.

Mit Stromerzeugung aus Wind, Sonne, Wasser, Geothermie, Biomasse verfügt Deutschland über genügend geeignete Alternativen zur Kernkraft. Allerdings kommt es künftig stärker noch als bisher auf effizientere Nutzung und höhere Produktivität bei der Energieerzeugung an. Schließlich könnten nicht zuletzt die Bürgerinnen und Bürger mit Veränderungen ihres Lebensstiles wichtige Beiträge leisten, so die Experten.

Energiewende bedarf gemeinsamer Anstrengung

Nur wenn alle Ebenen der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft gemeinsam handelten, werde die Energiewende gelingen, konstatiert die Ethikkommission. Um das sicherzustellen, schlägt das Gremium ein Nationales Forum Energiewende vor. Die Plattform soll den erforderlichen gesellschaftlichen Dialog anregen.

In intensiven Bürgerdialogen sehen die Ethikfachleute ein geeignetes Instrument, um die für die Energiewende erforderlichen Entscheidungen zügig voranzutreiben. Zur regelmäßigen kritischen Überprüfung der Fortschritte regt die Kommission einen unabhängigen Parlamentarischen Beauftragten für die Energiewende beim Deutschen Bundestag an.

>> Abschlussbericht Ethikkommission (PDF, nicht barrierefrei) (457 KB)

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