18 Januar 2005

Atomreaktor war trotz unzureichender Störfallbeherrschung wochenlang in Betrieb

Bundesaufsicht sieht weiteren Klärungsbedarf
Pressemitteilung BMU.de

Das baden-württembergische Umwelt- und Verkehrsministerium hat dem Bundesumweltministerium bestätigt, dass der derzeitige Betrieb des Atomkraftwerks Philippsburg 2 (KKP 2) keinen Gefährdungszustand darstellt. Bei der Bundesaufsicht bestehen jedoch Zweifel, ob das Sicherheitsmanagement den Anforderungen genügt.

In einem bundesaufsichtlichen Gespräch am gestrigen Montag hat die Bundesaufsicht insbesondere die Aufklärung folgender Aspekte verlangt:

Im Jahr 2001 hatte die Bundesaufsicht ermittelt, dass KKP 2 ohne die vorschriftsgemäße Beherrschung des Störfalls "Kühlmittelverlust" betrieben wurde. Dabei war entscheidend, dass die Flutbehälter im Anforderungsfall nicht genügend boriertes Kühlwasser hätten zur Verfügung stellen können. Dieser Verstoß hatte dazu geführt, dass die Bundesaufsicht eine längere Betriebseinstellung durchgesetzt hatte, bis der Betreiber zusagte, ein Sicherheits-Managementsystem in der Anlage einzurichten. Im Rahmen der technischen Aufklärung des Ereignisses von 2001 ist es für die Bundesaufsicht unverständlich, dass die Betreiberin bei der Berechnung der nötigen Wassermengen bis heute die Zurückhaltung von Wasser in der Reaktorgrube ignoriert hat.

Auf Nachfrage der Bundesaufsicht hat die Anlagenbetreiberin nicht offen gelegt, wie und wann sie zu dem Ergebnis gelangt ist, dass zur ausreichenden Störfallbeherrschung administrative Maßnahmen erforderlich sind (sofortiges Abfahren der Anlage, falls bei einem der vier Notkühlstränge Reparaturen erforderlich sind). Damit erweisen sich auch die Grundlagen der Untersuchungen seit 2001 als fragwürdig: Die Betreiberin hatte durch Berechnungen versucht nachzuweisen, dass trotz des vorschriftswidrigen Verhaltens die Sicherheit nicht beeinträchtigt gewesen sei. Bereits im Landtags-Untersuchungsausschuss hatte Bundesumweltminister Jürgen Trittin deutlich gemacht, dass es nicht akzeptabel sei, Betriebsvorschriften durch nachträgliche Berechnungen - die sich jetzt sogar als unzureichend herausstellen - in Frage zu stellen (vgl. Landtags-Drucksache 13/2500, S.149).

Die Betreiberin behauptet, die unzureichende Störfallbeherrschung selbst ermittelt zu haben und bestreitet, dass die neuen Erkenntnisse auf Untersuchungen eines staatsanwaltschaftlichen Sachverständigen zurückgehen. Das baden-württembergische Umwelt- und Verkehrsministerium hatte dies jedoch mit einer Presseerklärung vom 14. Januar 2005 angedeutet. Die Betreiberin behauptet zudem, von den Erkenntnissen und Fragen des Sachverständigen erst durch das Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 21. Dezember 2004 erfahren zu haben. Selbst wenn das zuträfe, ist KKP 2 offenbar drei Wochen lang in Kenntnis einer unzureichenden Störfallbeherrschung und ohne geregelte Ersatzmaßnahmen betrieben worden.

Die Bundesaufsicht erwartet von einem Atomkraftwerksbetreiber, dass er Zweifeln an der Störfallbeherrschung ohne jegliches Verzögern nachgeht, Gegenmaßnahmen ergreift und die Aufsichtsbehörde unverzüglich informiert. Die Einhaltung dieser Anforderung des Sicherheitsmanagements wird derzeit durch die Bundesaufsicht geprüft.

In rein technischer Hinsicht wird untersucht, ob die von der Anlagenbetreiberin ergriffenen Maßnahmen ausreichend sind. Daran bestehen derzeit keine Zweifel.