18 Januar 2003

Jürgen Trittin: In der Bundesrepublik wird kein ausländischer Atommüll endgelagert

Bundesumweltminister weist Darstellung der "HAZ" entschieden zurück
Pressemitteilung BMU.de

Zu einem Artikel der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" unter der Überschrift "Rot-Grün erwägt gemeinsame Endlager für EU-Atommüll" erklärt Bundesumweltminister Jürgen Trittin:

Die in der HAZ aufgestellte Behauptung, Rot-Grün schließt gemeinsame europäische Endlager für hochradioaktiven Atommüll nicht mehr aus, entbehrt jeglicher Grundlage. Das für diese Behauptung ausgesuchte Zitat aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage zum Nuklearpaket der EU-Kommission gibt nicht die Meinung der Bundesregierung wieder, sondern beschreibt -- deutlich gekennzeichnet - die Position der EU-Kommission. Wörtlich heißt es nach der Wiedergabe der Position der EU-Kommission im Folgesatz: "Die Bundesregierung besteht jedoch für Deutschland auf einer nationalen Endlagerlösung."

Die Bundesregierung hat sich wiederholt und klar zum Grundsatz der nationalen Endlagerung bekannt. Diese Auffassung gilt ohne Einschränkung und wird auch in der Antwort auf die Kleine Anfrage bekräftigt. Das bedeutet, dass Abfälle aus anderen Ländern nicht in Deutschland endgelagert werden.

Ich habe wiederholt und auch im EU-Ministerrat darauf hingewiesen, dass die von der EU-Kommission vorgelegten Richtlinienentwürfe zur Atomsicherheit und zur Endlagerung für das Bundesumweltministerium aus inhaltlichen und formalen Gründen in der vorliegenden Form nicht zustimmungsfähig sind. Dieses ist auch der Antwort auf die Kleine Anfrage zu entnehmen, wo es unter 3. heißt: "Die Inhalte des Entwurfs für eine Richtlinie über abgebrannte Brennelemente und radioaktive Abfälle entsprechen inhaltlich nicht den Vorstellungen der Bundesregierung."

Völlig an den Haaren herbeigezogen ist die Unterstellung der HAZ, solche von der EU-Kommission gewünschten und von der Bundesregierung abgelehnten Transporte könnten nach Gorleben gehen. Der einzige, der Gorleben zum Atomklo Europas machen wollte ist der CDU-Schattenumweltminister in Niedersachsen Lutz Stratmann. Ich dagegen habe wegen massiver Zweifel an der Geeignetheit des Standorts Gorleben die Erkundung des Endlagers unterbrochen und einen Baustopp verhängt. Es waren CDU und FDP, die erst am Freitag im Haushaltsausschuss des Bundestages den Weiterbau des Endlagers Gorleben beantragt haben - damit aber an der Mehrheit von SPD und Grünen gescheitert sind.

Die Suche nach einem geeigneten nationalen Endlagerstandort in Deutschland wird nunmehr in einem transparenten und geordneten Verfahren verlaufen. Ziel ist es, bis 2030 ein betriebsbereites Endlager in tiefen geologischen Formationen für alle Arten radioaktiven Mülls aus der Bundesrepublik Deutschland verfügbar zu haben.

Der von mir eingesetzte Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte (AKEnd) hat ein Verfahren für die Suche und Auswahl eines Endlagers entwickelt, in das alle Arten und Mengen in Deutschland anfallender radioaktiver Abfälle sicher endgelagert werden sollen. Mit dem Abschlussbericht des AKEnd, der mir im Dezember übergeben worden ist, liegt zum ersten Mal ein systematischer Ansatz für die Auswahl eines Endlagerstandortes in Deutschland vor, der nicht nur auf technische, sondern auch auf sozialwissenschaftliche Aspekte abstellt. Die Endlagersuche wird so vom Kopf auf die Füße gestellt. Dieser Bericht soll in den nächsten zwei Jahren breit in der Öffentlichkeit diskutiert werden.

Das Ziel, bis 2030 ein betriebsbereites Endlager verfügbar zu haben, hält der AkEnd für ambitioniert, aber machbar, wenn das Auswahlverfahren zügig legitimiert und durchgeführt wird. Damit hat er eine wissenschaftlich begründete Gegenposition zur atomfreundlichen EU-Kommission eingenommen, die ein solches Lager bereits 2018 für möglich hält und die - anders als wir - die Einlagerung von ausländischem Atommüll in Deutschland nicht außchließen möchte.

Hinweis:
Auf die Frage: "Ist es nach Einschätzung der Bundesregierung denkbar, dass es in Europa Endlagerstätten geben wird, die von mehreren Mitgliedstaaten gemeinsam genutzt werden könnten, und wenn ja, was bedeutet dies für mögliche Transportwege des radioaktiven Abfalls?"

lautet die Antwort der Bundesregierung:

"In Artikel 5 Abs.4 des in der Antwort zu Frage 11 genannten Richtlinienentwurfes wird als möglicher Entsorgungsweg die Ausfuhr radioaktiver Abfälle oder abgebrannter Brennelemente in einen anderen Mitgliedstaat oder ein Drittland eigens erwähnt. Aus Sicht der Europäischen Kommission stellt der Export in andere Länder für Mitgliedstaaten mit sehr begrenzten Abfallmengen die aus umweltpolitischer, sicherheitstechnischer und wirtschaftlicher Sicht wahrscheinlich sinnvollste Lösung dar. In solchen Fällen könnte die Zulassung grenzüberschreitender Transporte in Frage kommen. Die Bundesregierung besteht jedoch für Deutschland auf einer nationalen Endlagerlösung."