AKW-Betreiber müssen finanzielle Verantwortung für die Endlagerung von Atommüll übernehmen
Pressemitteilung BMU.de
Wer sich auf Atomkraft verlässt, gefährdet die Versorgungssicherheit. Dieses Fazit zieht Bundesumweltminister Jürgen Trittin aus den Stromausfällen und Versorgungsengpässen des vergangenen Sommers. In Frankreich, den USA und Skandinavien sei die Anfälligkeit von Versorgungsstrukturen, die sich in hohem Maße auf Atomkraft verlassen, zu Tage getreten. "Versorgungssicherheit gibt es nur in einem neuen Energiemix. Nur die Energiewende sichert unsere Versorgung für morgen", sagte Trittin zur Eröffnung des 12. Deutschen Atomrechtssymposiums in Köln.
Kein Land steigt so zügig und konsequent aus der Atomkraft aus wie Deutschland. Mülheim-Kärlich ist endgültig stillgelegt, Mitte November geht das Atomkraftwerk Stade vom Netz. Der Atomausstieg begrenzt die Abfallmenge, indem er die Betriebsdauer der Kernkraftwerke auf 32 Jahre befristet - also auf die Hälfte der Laufzeit in den USA. Dennoch werde man am Ende vor einem radioaktiven Abfallberg von 250.000 Kubikmeter stehen, so der Bundesumweltminister. Hierfür müsse eine möglichst sichere Endlagerung gefunden werden, die von der ganzen Gesellschaft getragen werde.
"Das Auswahlverfahren für das nationale Endlager muss transparent und nachvollziehbar sein. Die Kosten für diese Suche und für die Einrichtung eines Endlagers müssen die Verursacher, also die AKW-Betreiber, übernehmen", sagte Trittin. Der Bundesumweltminister hat darüber hinaus eine Konzentration der Aufsicht über Atomkraftwerke beim Bund vorgeschlagen. Es sei fragwürdig, dass im Zweifel für einen einzigen Reaktor von den Bundesländern eine komplette Atomverwaltung aufrecht erhalten werden muss.
Grundlage für die geplante gesetzliche Regelung zur Endlagerung des Atommülls sollen insbesondere die Vorschläge des "Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte", (AKEnd) vom Dezember 2002 sein. Der AkEnd hatte ein Beteiligungsverfahren mit maximaler Transparenz und Nachvollziehbarkeit während des gesamten Entscheidungsprozesses empfohlen. Es solle keine Vorfestlegung auf Standorte stattfinden, sondern ganz Deutschland solle einbezogen werden. In drei bis fünf Regionen, die nach geowissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Kriterien am besten für ein Endlager geeignet wären, sollen dann oberirdische Erkundungen vorgenommen werden. Die beiden bestgeeigneten Standorte sollen dann unter Tage erkundet werden. "Dabei meine ich auch Erkundung und nicht den als Erkundung getarnten Bau eines Endlagers, wie er in Gorleben betrieben worden ist", betonte der Bundesumweltminister. Erst nach diesem Standortvergleich soll über den Endlagerstandort entschieden werden. "Der Deutsche Bundestag muss zumindest die letzte Entscheidung treffen. Ich würde es aber begrüßen, wenn das Parlament auch über die Standorte zur ober- und unterirdischen Erkundung entscheiden würde", sagte Trittin.
Die Kosten für das gesamte Auswahlverfahren bis zur Entscheidung über den Endlagerstandort taxiert Trittin auf maximal 700 Millionen Euro. "Das ist halb so viel wie die 1,4 Milliarden Euro, die in Gorleben im Salz verbuddelt wurden", so der Bundesumweltminister. Alle Schritte der Endlagerung sollen verursachergerecht finanziert werden, das gilt für Auswahlverfahren, Erkundung, Errichtung, Betrieb und Stilllegung des Endlagers. Dabei sei sicherzustellen, dass die benötigten Finanzmittel zum Zeitpunkt der Erkundung und der Errichtung des Endlagers tatsächlich verfügbar sind. "Die Kosten für den Bau des Endlagers werden erst anfallen, wenn die heutigen AKW-Betreiber kein Atomkraftwerk mehr am Netz haben. Es muss also sichergestellt sein, dass sie als Verursacher des radioaktiven Mülls auch die Kosten tragen, die nach 2020 entstehen", betonte Trittin. Ein denkbares Modell, das auch die benötigte langfristige Rechtssicherheit garantiert, ist für den Bundesumweltminister die Gründung eines öffentlich-rechtlichen Verbandes durch die AKW-Betreiber. "Dabei würde sich der Bund grundsätzlich auf die Überwachung und Genehmigung beschränken. Das wäre ein Beitrag zum Bürokratieabbau", sagte der Bundesumweltminister.
Darüber hinaus äußerte Bundesumweltminister Jürgen Trittin Zweifel an der Zukunftsfähigkeit der bestehenden Organisation der Atomverwaltung und schlug vor, die Aufsicht über die Atomkraftwerke beim Bund zu konzentrieren. Angesichts des gesetzlich geregelten Atomausstiegs sei absehbar, dass in wenigen Jahren mehrere Länder nur noch für einen oder zwei Reaktoren zuständig sein werden. Neben Hessen, wo dies heute schon gilt, sei dies für den Fall, dass Strommengenübertragungen zwischen den Atomkraftwerken nicht erfolgen, ab 2009 in Schleswig-Holstein, ab 2011 in Niedersachsen und ab 2012 in Baden-Württemberg zu erwarten. "Insbesondere angesichts der Nachwuchsprobleme bei kompetenten Fachleuten und der angespannten öffentlichen Haushalte ist es doch fragwürdig, dass jedes betroffene Land eine eigene Atomverwaltung aufrechterhält, im Zweifel für einen einzigen Reaktor", so der Bundesumweltminister. Trittin schlug vor, zumindest für die Aufsicht über die Atomkraftwerke während der Restlaufzeit die sogenannte Bundeseigenverwaltung einzuführen. Bislang erfolgt diese Aufsicht in sogenannter Bundesauftragsverwaltung, das heißt durch die Länder unter der Aufsicht des Bundes. "Bund und Länder sollten das Thema unvoreingenommen prüfen und diskutieren. Entscheidend muss sein, mit welcher Verwaltungsform ein Höchstmass an Sicherheit in der Restlaufzeit der Atomkraftwerke erreicht werden kann", appellierte Trittin.